Entstaubte Klassiker: Königsberger Klopse

Es gibt diese Gerichte, denen über Jahrzehnte hinweg schrecklich Unrecht getan wurde. Sie fristeten ein Leben zwischen Kantinen und Uni-Mensen, verkamen zu billigen Fertiggerichten aus der Dose und wurden von Gourmets mit gerümpfter Nase und „Ieh! Bäh!“ abgetan. Dabei sind diese Gerichte an sich eine Delikatesse. Das gilt neben Boeuf Stroganoff, Schweinefleisch süß-sauer oder Labskaus auch für Königsberger Klopse.

Der blanke Horror: Königsberger Klopse in den 80er und 90er Jahren.

Königsberger Klopse waren für mich immer eine undefinierbare, nach Mehl und Schweiß riechende Widerwärtigkeit, die es aus großen Töpfen für kleines Geld in der Frankfurter Mensa gab, als diese nicht wie heute hip und chic im alten IG-Farben-Haus residierte, sondern noch an der Bockenheimer Warte ihr graues Nachkriegsdasein fristete. Gruselig.  Alternativ wurden Königsberger Klopse direkt aus der Dose gelöffelt, wenn in Studenten-WGs mal wieder keiner das Geschirr gespült hatte. Oder es war die allerletzte tiefgekühlte Tupperdose im Gefrierschrank, wenn die Eltern verreist waren und man das eingeteilte Taschengeld für Zigaretten ausgegeben hatte.

Befreit die Königsberger Klopse aus der Schmuddelecke!

Ich freue mich immer, wenn ich diese verstaubten Klassiker aus ihrer Schmuddelecke ziehe, aufpoliere und ins Rampenlicht meiner kleinen Fressseite stelle. Denn Klassiker erhalten ihren Titel in erster Linie, weil sie köstlich sind. Und sie können nichts dafür, dass unambitionierte Gastwirte, Konservendosenproduzenten und Kantinenköche ihnen Schlimmes antun, weil Preisdruck und Massen“geschmack“ sie dazu zwingen.

Feines Kalbshack, Kapern, frische Kräuter und eine leichte (!) Mehlschwitze machen die Königsberger Klopse zu einem echten Genießeressen. Dabei sind sie weder besonders billig noch besonders schnell zubereitet. Aber sie sind jeden Cent und jede Minute wert, die Du in die Zubereitung steckst. Versprochen!

Zutaten für 12 Königsberger Klopse in Sauce

Für die Klopse:

  • 500 gr Kalbshack (Tipp vom Metzger: nur 1 x gewolft, damit die Masse fluffiger bleibt)
  • 1 Schalotte, fein gehackt
  • 1 EL Butter
  • 1 altbackenes Brötchen
  • etwa 200ml Milch zum Einweichen
  • 1 Ei (L)
  • 1 Eigelb (L)
  • 1 EL mittelscharfer Senf
  • 2 Zweige Thymian, fein gehackt
  • 1 kl. Zweig Rosmarin, fein gehackt
  • 2 Stengel Petersilie, fein gehackt
  • 6 Sardellen, abgespült und fein gehackt
  • 2 EL Kapern, fein gehackt
  • Salz
  • schwarzer Pfeffer, frisch gemahlen
  • Muskat, frisch gemahlen

Für den Kochsud:

  • 2 Nelken
  • 2 Lorbeerblätter
  • Salz

Für die Soße:

  • 1 Schalotte, fein gehackt
  • 3 EL Butter
  • 2 EL Mehl
  • 200ml Kalbsfond
  • 600ml Kochwasser von den Klopsen
  • 2 EL Kapern, ganz
  • etwas Kapernwasser
  • weißer Pfeffer, frisch gemahlen
  • Muskat, frisch gemahlen
  • Salz
  • Prise Zucker
  • 2 EL süße Sahne

Dazu: Kartoffeln, gehackte Petersilie

Zubehör: Rührschüssel, großer Kochtopf, Pfanne mit hohem Rand, Schüssel, Topf für Kartoffeln, Schaumlöffel

Zubereitungszeit: rund eine Stunde

So geht’s:

Zuerst bereiten wir die Klopse zu:

Das alte Brötchen zerpflücken und in der Milch einweichen, bis es sie ganz aufgesogen hat. Vor dem Verwenden gut ausdrücken.

Die Schalotte in 1 EL Butter anschwitzen und abkühlen lassen.

Kräuter, Sardellen, Kapern fein hacken.

Das Kalbshack in der Rührschüssel mit allen Zutaten, die unter „Für die Klopse“ aufgeführt sind, gut vermischen (ich mache das mit der Hand).

Hände befeuchten und etwa 12 möglichst gleich große Klopse aus der Masse formen – etwa so groß wie Baby-Fäustchen. Zur Seite stellen.

Kartoffeln schälen, in Salzwasser kochen. (Tipp für mehr Entspanntheit beim Kochen: Kartoffeln nach der Garzeit abschütten und mit geschlossenem Deckel auf die Klopse und die Sauce warten lassen.)

Im großen Kochtopf für die Klopse ausreichend Wasser zusammen mit Lorbeer, Nelken und Salz zum Kochen bringen. Hitze reduzieren, bis das Wasser nur noch simmert.

Darin die Klopse nach und nach garen (ich habe 2 x 6 Klopse gleichzeitig gegart) – das dauert jeweils etwa 15 min. Die gegarten Klopse mit dem Schaumlöffel aus dem Sud holen und in eine Schüssel geben. Entweder bei geringer Hitze (60-80 Grad) im Backofen warm halten o. einen Deckel auf die Schüssel legen. Sie müssen nicht lange warten.

Tipp: Vorteil vom Warmhalten im Backofen: Du kannst auch die Teller vorwärmen!

Jetzt in der Pfanne die Sauce zubereiten:

Die Schalotte in 3 EL Butter anschwitzen. Mit Zucker, Salz, weißem Pfeffer und Muskat würzen. Das Mehl darüberstreuen und anschwitzen lassen.

Mit Kalbsfond und etwas Kapernwasser ablöschen und gut verrühren, bis die Sauce glatt ist (evtl. dafür einen Schneebesen nutzen). Um mehr Flüssigkeit (= mehr Sauce!) zu erhalten, gibst Du jetzt noch Wasser des Klops-Kochsuds in die Pfanne und rührst es gut in die Sauce ein. Das gibt herrlichen Kalbsgeschmack!

Tipp: Ist die Sauce zu dünn, knetest Du etwas Mehl und Butter zu einem Klümpchen und verrührst das in der Sauce zum Binden. Ist die Sauce zu dick, gibst Du noch etwas Sud dran.

Zum Schluss noch die ganzen Kapern unterrühren und alles mit etwas Sahne finalisieren.

Jetzt noch mal abschmecken: Die Sauce sollte eine leichte Säure haben. Du kannst jetzt also noch etwas Kapernwasser oder Pfeffer, Muskat oder Salz hinzugeben. Oder eine Prise Zucker? Du bist der Boss!

Zum Schluss gibst Du die Königsberger Klopse in die Sauce und lässt sie noch etwas darin ziehen.

In dieser Zeit hackst Du die Petersilie, legst die Kartoffeln auf die Teller und richtest zum Schluss alles hübsch an.

Raus aus der Schmuddelecke und rein ins Rampenlicht: Königsberger Klopse in entstaubtem Gewand sind ein köstlicher Küchenklassiker!

Bon Appetit!

Tipp: Hast Du Klopse übrig? Dann frier‘ sie mit etwas Kochsud ein. Du kannst sie dann direkt mit dem Sud in einem Topf auftauen lassen (bei geringer Hitze). Die Sauce bereitest Du dafür dann frisch zu. Das spart Dir Zeit und verschafft Dir ein köstliches hausgemachtes Essen ohne den Mief der 80er oder 90er Jahre!

 

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  1. Irgendwie ein Essen das an mir vorüberging- zuhause gabs das nie, später mochte niemand Kapern, außer mir…. schlechte Karten. Muß ich mich wohl mal wo einladen.

    1. Julia Author says:

      Dann komm mal vorbei 🙂

  2. Liebe Julia,
    Königsberger Klopse aus der Dose? Das hört sich ja gruselig an. Glücklicherweise kenne ich nur die weltbesten Königsberger Klopse von Mama. Die habe ich schon als Kind heiß und innig geliebt, am besten mit extra viel Kapern. Im Kochsud darf ordentlich Suppengemüse mit kochen, das später klein geschnippelt in der Soße landet.
    Hach, danke fürs Erinnern. Das Regenwetter sollte mal wieder für einen Klassiker genutzt werden.
    Viele Grüße aus Ye Olde Kitchen
    Eva

    1. Julia Author says:

      Ja, man glaubt es rückblickend kaum, womit man (kulinarisch) schon so konfrontiert wurde… Gruselig trifft es exakt. Deine Variante klingt super. Das mit dem Suppengemüse werde ich ausprobieren. Komm, lass uns Klopse kugeln! Alles besser als das Wetter da draußen!

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