Man, was hat sich dieser Monat in die Länge gezogen. Es lag vielleicht an meinem fiesen Infekt, der mich seit über drei Wochen aushebelt. Aber tatsächlich erschien mir dieser Monat endlos und zäh wie eine Vorlesung über das Althochdeutsche, wie ein All-male-Panel auf dem Podium einer städtischen Behörder oder das Beobachten von Farbe, die langsam trocken wird…
Gesehen
Dank des Infekts, der uns beide – zeitversetzt, damit es mehr Spaß macht! – ruhiggestellt hat, konnten wir ausgiebig netflixen und andere Plattformen durchforsten. Ich kenne jetzt mittlerweile ALLE Stücke, die jemals bei „Bares für Rares“ verkauft wurden und habe aus lauter Verzweiflung sogar wieder eine Folge von „Das perfekte Dinner“ geschaut. Tatsächlich war dann aber doch Netflix der Gewinner mit „Dracula“. Wer ein Faible hat für charmante Beißer, einen Schuss britischen Humors, etwas Historie und die Macher von „Sherlock“ wird sich gut unterhalten wissen. Wir haben die 3 x 90 min weggeguckt wie nix und sind mit leicht geröteten Augen von der Couch ins Bett gefallen.
Weniger überzeugend ist die 3. Staffel Babylon Berlin, die ich ja eh nur noch wegen der – wirklich beeindruckenden! – Ausstattung schaue. Diese Tapeten! Die Vasen! Und all die kleinen Stücke, die jedes Büro aussehen lassen wie direkt aus dem Manufactum-Katalog bestellt! Wen interessiert da schon die Handlung oder dieses gestelzt Berlinerische (icke, ditte, na wat denn), das wohl für Lokalkolorit sorgen soll. Ach, deutsche Serien…
Wirklich ratlos zurück lassen mich die ersten Folgen Big Little Lies. Die Serie wurde in den letzten Jahren mit Awards überschüttet und hat natürlich längst eine 2. Staffel spendiert bekommen. Ok, Nicole Kidman würde ich auch zuschauen, wenn sie trocknende Farbe wäre. Laura Dern und Reese Witherspoon sind ebensolche Schätzchen im Cast. Aber was alle an dieser Serie finden, die für eine schwarze Komödie zu unlustig, für einen Krimi zu dröge, für ein Drama zu wenig dramatisch für eine Gesellschaftskritik zu irrelevant ist, erschließt sich mir noch nicht.
Gelesen
Bevor ich an Fernsehprogrammen und Streamingdiensten verzweifle, lese ich lieber ein Buch. Meine Regel „Ein Buch pro Woche“ halte ich derzeit noch locker ein. Ich bin in Kalenderwoche 6 nun beim 11. Buch. Läuft bei mir. Was aktuell auf meinem Nachttisch liegt, seht Ihr immer rechts in der Sidebar auf der Startseite. Aber hier im Schnelldurchlauf meine Lektüre im Januar:
J. Jefferson Farjeon: Dreizehn Gäste – ein unterhaltsamer Krimi aus den 30er Jahren von einem Star-Autoren seiner Zeit ganz im Stile eines klassischen Whodunnits a la Agatha Christie, die heute deutlich bekannter ist. Kann man lesen, wenn man Krimis mag, in denen sich reiche Menschen langweilen und gegenseitig umbringen, bis sie jemand in die Bibliothek bittet, um den Fall zu lösen.
Oliver Pötzsch: Der Spielmann – ein Historienschinken auf Basis der alten Faust-Sage mit vielen netten Wendungen, einem diabolischen Mephisto, einem sympathischen Famulus Wagner, einem herzzerreißenden Gretchen. Kann man lesen, wenn man sehr krank ist und den Kopf nicht anstrengen will. Ich habe schon größeren Histo-Schmarrn gelesen.
Isabell Bogdan: Laufen – ein schmaler Band im inneren Monolog geschrieben aus der Sicht einer Frau, die um ihren Lebensgefährten trauert und langsam über das Laufen wieder zu sich selbst findet. Kann man sehr gut lesen, wenn man läuft, selber schon mal einer Liebe hinterhergetrauert oder einen geliebten Menschen verloren hat. „Laufen“ ist deutlich besser als Bogdans Debüt „Der Pfau“, der auch schon nicht schlecht war. Ich mochte den Stream of Consciousness sehr.
Ulrich Alexander Boschwitz: Der Reisende – ein wiederentdeckter Roman eines lange verstorbenen, sehr jungen jüdischen Autoren, der bereits 1938 die Verzweiflung eines jüdischen Geschäftsmannes und den Horror seiner Zeit in Worte fasst, die uns heute noch sprachlos zurücklassen. Kann man, nein, MUSS man lesen, um zu erkennen, wie sich die Anfänge Bahn brechen, um dann in der Katastrophe zu münden.
Robert Harris: Der zweite Schlaf – eine Dystopie, in der man sich so lange im 18. Jahrhundert wähnt, bis der Protagonist ein Smartphone findet. Verstörend und mit viel „Food for thought“ (Was bleibt von unserer Kultur, wenn Datenträger zerstört, Elektrizität nicht mehr nutzbar, all unsere Fotos und Videos verloren sind?) aber leider auch mit Logiklöchern so groß wie der Lake District. Kann man lesen, wenn man darüber nachdenken will, ob eine neue Zivilisation nach einer Katasrophe tatsächlich wieder 1:1 so reden, handeln, denken und sich anziehen würde wie tausende Jahre zuvor.
Ayana Mathis: Zwölf Leben – ein Roman über eine schwarze Frau, die aus den Südstaaten in den Norden zieht und ein Dutzend Kinder in die Welt setzt. Jedes Kapitel beleuchtet eines dieser Leben zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Ein bisschen plakativ und die Protagonist*innen bleiben merkwürdig eindimensional. Wirklich sympathisch wird einem keine. Kann man lesen, wenn man mal aus seiner eigenen weißen, europäischen Perspektive herauswill.
Melanie Raabe: Die Wälder – ein Thriller aus der Feder einer der erfolgreichsten Krimi-Autorinnen Deutschlands mit ungewöhnlichem Plot. Seit Kings „Es“ liegt aber die Messlatte für Spannungsgeschichten mit kindlicher Besetzung ziemlich hoch. Kann man lesen, wenn man Melanie Raabe sympathisch findet, nichts gegen Logiklöcher hat und das Leben auf dem Dorf gruselig findet.
Kristen Roupenian: Cat Person – ein Kurzgeschichtenband einer jungen Autorin (Jahrgang 1982), die in den USA ein Superstar ist. Kann man hervorragend lesen, wenn einen junge Erzählerinnenstimmen interessieren, man Kurzgeschichten liebt, ungewöhnliche Perspektiven spannend findet und sich nicht davon abhalten lässt, dass der Verlag das Buch aus irgendeinem Grund mit der #metoo-Debatte bewirbt.
Elif Shafak: Unerhörte Stimmen – ein Roman über eine in Istanbul lebende und ermorderte Prostituierte, die in Momentaufnahmen ihr Leben Revue passieren lässt und so Seite für Seite entblättert, wie es zum Mord kommen konnte. Kann man lesen, wenn man eine Türkei-kritische Stimme wie Shafak wichtig findet und Lust am skurrilsten Personal seit Irvings „Hotel New Hampshire“ hat.
Mark Douglas-Home: The Driftwood Girls – ein neuer Band mit dem „Sea Detective“, einem Ozeanographen aus Schottland, der anhand von Meeresströmungen und allerlei Berechnungen spannende Fälle löst. Kann man lesen, wenn man das Meer liebt und verzeiht, dass die Geschichten rund um den Ermittler leider nicht plausibler werden.
Attica Locke: Bluebird, Bluebird – ein Krimi aus dem hässlich-rassistischen Texas mit einem schwarzen Ranger als Ermittler. Noch nicht zuende gelesen und deshalb noch ohne Bewertung – lässt sich aber gut an.
Gelaufen
Nicht der Rede wert. Nach einem super Start voller Lauffreude seit über drei Wochen ohne einen einzigen Kilometer. Aber das ist ok so. Denn ein Infekt muss auskuriert werden. Isso!
Gegessen
…haben wir neben Hühnerbrühe auch andere Gerichte, die uns gewärmt und nicht zu viel Arbeit gemacht haben. Immer verliebt bin ich in eine schöne indische Linsensuppe mit feurigen Aromen und jeder Menge gesunder Bestandteile wie Zink, Vitaminen, Eisen und Balaststoffen:
Schnell gemacht, köstlich und ein toller Snack für Gäste sind die wunderhübschen Blini aus Buchweizenmehl, die nicht nur aber ganz hervorragend zum Sekt passen:
Überhaupt war der Januar überraschend fleischlos. So braucht auch die Schawarma mit Pilzen kein Tier, um herzhaft, sättigend und würzig glücklich zu machen:
Den nötigen Crunch gibt Dukkah, eine feurige Nuss-Gewürz-Mischung aus dem nordafrikanischen Raum, die sich auch toll auf der Linsensuppe gemacht hat:
Exotisch, wärmend und wunderbar in großen Mengen zu kochen ist auch mein Chana Punjabi, ein Kichererbsencurry, das sein rauchiges Aroma dadurch erhält, dass es mit schwarzem Tee zubereitet wird. Unbedingt ausprobieren!
Gehört
…habe ich sehr gerne den Soundtrack von „Big Little Lies“ (s.o.). Ich würde so weit gehen zu sagen, dass die Musik das Beste ist an der Serie.
Und im Februar?
Freue ich mich an den ersten Schneeglöckchen, dass es uns schon wieder besser geht (endlich!), dass wir einen zusätzlichen Tag geschenkt bekommen, dass ich mit dem bEdW an einem romantischen Ort auf meinen Geburtstag anstoßen werde und dass ich mich so langsam mit dem Februar versöhne.
Hallo und DANKE für Deine Buchempfehlung „LAUFEN“ von I. Bogdan, ich habe es mir gleich bei unserer Stadtbücherei bestellt.
Dir/Euch wünsche ich weiter gute Besserung + einen Februar, der Dir bestimmt schöne Stunden bringt.
Liebe Grüße von der Nordseeküste,
Margot
Viel Spaß beim Lesen und danke für die guten Wünsche.