Die Unterschätzte: 48 Stunden in Birmingham

{enthält werbung weil ortsnennung} Zugegeben: Birmingham, die zweitgrößte Stadt Englands, habe auch ich als England-Liebhaber nur deshalb auf meiner Reise-Liste, weil meine Schwester dort seit vielen Jahren lebt. Bisher hatte es mich eher nach London, Oxford oder den Süden der Insel gezogen. Während man kaum jemanden davon überzeugen muss, dass London ein großartiges Reiseziel zu jeder Jahreszeit ist, verhält sich das bei Birmingham anders. Dabei ist diese grüne Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten aus der Zeit der Industriellen Revolution absolut einen Besuch wert. Versprochen!

Birmingham: Brummies, Cadbury’s, viel Backstein und endlose Kanäle

Als einstige Metropole der Industriellen Revolution galt Birmingham noch zu meiner Kindheit als schmuddelige Industrie-Schloten-Stadt mit hoher Arbeitslosigkeit. Dabei ist die Stadt der „Brummies“, wie sich die Bewohner Birminghams nennen, heute längst modern, weltoffen und kulturell spannend – ohne ihre Geschichte und Bedeutung im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu verleugnen. An allen Ecken finden sich Industriedenkmäler im Backstein-Look, die heute allerdings Museen, Büros, Lofts uvm. beherbergen (ähnlich der Londoner Docklands). Auf den zahlreichen Kanälen, die die Stadt durchziehen und auf denen einst Metall und Kohle transportiert wurde, kannst Du auch heute noch bis nach Wales schippern. Ebenso schön ist es aber, an warmen Tagen – und die gibt es in den West Midlands reichlich! – in den zahlreichen Pubs und Cafes entlang der Wasserlinie zu sitzen und die Haus- und Ausflugsboote zu beobachten.

Eine meiner liebsten „Fabriken“ ist natürlich Cadbury’s, die Schokoladen-Fabrik, die Roald Dahl zu seiner Geschichte „Charlie and the Chocolate Factory“ inspiriert hat. John Cadbury, der 1824 sein Imperium mit einem Süßigkeitenladen begründete, und seine Nachfahren sind auch heute noch überall in Birmingham präsent: Neben der Arbeitersiedlung Bournville Village legte die Familie auch den Grundstein für Parks und Erholungsheime für ihre Arbeiter. Einen Einblick in die Geschichte der Schokoladen-Dynastie gibt es hier.

Freitag ganz traditionell: Tea & Fish & Chips

Mit dem Flieger kommst Du von Frankfurt mehrmals am Tag nach Birmingham. Einen ersten Blick auf die Stadt, den öffentlichen Nahverkehr, Veranstaltungen und Hotels gibt es auf der Website der Stadt. Wir haben natürlich den Luxus einer einheimischen Reiseführerin, die uns auch noch bei sich übernachten lässt 🙂 Aber es gibt ausreichend günstige Unterkünfte, um auch ohne Schwester vor Ort gut in Birmingham übernachten zu können!

Wir starten in’s Wochenende mit klassischem Afternoon Tea im Lightwoods Park & House im Stadtteil Bearwood.

Afternoon Tea im Jonathan’s in the Park

Gemütlich im Edwardianischen Stil eingerichtet befindet sich der Tea Room in einem liebevoll restaurierten Gebäude aus dem 18. Jahrhundert. Während draußen der erste Regenschauer des Wochenendes runterprasselt, genießen wir Tee, Scones, Gurkensandwiches und das wunderschön britische Ambiente.

Gurkensandwiches, Scones, Erdbeermarmelade und hausgemachte Küchlein – dazu (natürlich!) Tee!

 

Wer jetzt gut gestärkt ist, kann sich beispielsweise auf die Suche nach J.R.R. Tolkien machen: Der Autor der „Herr der Ringe“-Trilogie hat nicht nur lange in Birmingham gelebt, sondern sich auch vom British Heartland inspirieren lassen. Erste Eindrücke der Tolkien-Tour findest Du hier. Kinder und Schokoliebhaber dürfte die Cadbury World of Chocolate reizen – quasi die real gewordene „Chocolate Factory“ aus dem Buch (aber leider ohne Oompa-Loompas)! Altes Handwerk, Architektur, Gärten und Kanäle sind eher Dein Ding? Dann schau einfach mal hier. Und für kurzentschlossene Serien-Freaks gibt es das Peaky-Blinders-Festival vom 29. bis 30. September 2018! Die Serie über die Arbeiter-Gang, die Endes des 19. Jahrhunderts ihr Unwesen trieben – alles stilecht mit über 100 Schauspielern in historischen Kostümen, in ihren Urzustand versetzen Pubs und vielem mehr!

Gut zu Fuß sollte man in Birmingham auch dann sein, wenn man keine Schwester hat, die Meilen und Kilometer verwechselt. Unser 4 Kilometer langer Heimweg führte uns allerdings an wunderschönen Häusern entlang und durch Warley Woods, einen Park, der einen öffentlichen Golfplatz enthält! Keine Mitgliedschaft, keine Porsche-Klientel – einfach nur Equipment ausleihen und loslegen! Wer also schon immer mal Golf spielen und in den Sport reinschnuppern wollte, kann das hier total unaufgeregt tun. Geht es britischer?

Öffentlicher Golfplatz in Warley Woods

Wir hatten natürlich viel zu bequatschen und waren deshalb abends wieder am heimischen Esszimmertisch mit einer großen Portion Fish & Chips auf den Tellern! Denn für mich gibt’s kaum etwas Köstlicheres, sobald ich den Kanal überquert habe. Der laut meiner Schwester beste „Chippy“ (aka Fish-and-Chips-Bude) ist derzeit „Steve’s Plaice“ (Plaice = Scholle, Plattfisch) in Oldbury. Köstlich saftiger Kabeljau in knuspriger Bierteig-Hülle, dicke Chips dazu mit ordentlich Malzessig – was will man mehr? (Meine Super-Schwester hatte selbstlos wochenlang sämtliche Chippies der Stadt abgeklappert, um den besten zu finden. Kein Wunder, dass sie an diesem Abend dann lieber eine Scheibe Brot aß. „No more fish & chips for me, please!“)

Fish & Chips – kein England-Trip ohne!

Samstag: Brunch, grüner Daumen und das Juwel in der Krone

In einem alten ehemaligen Schulgebäude – natürlich aus Backstein! – im Stadteil Harborne findest Du eine Filiale der „Boston Tea Party“-Cafés. Gemütlicher Industrial Chic trifft auf nachhaltige Produkte und köstliche Gerichte – von vegan über herzhaft bis verführerisch süß!

Boston Tea Party Harborne Birmingham

Die alten Schultische mit ihren zerkratzen und verkritzelten Tischplatten sind heute Esstische für das bunte Publikum aus jungen Familien, Studenten, Freunden, die sich wie wir Samstagmittag zum Brunch verabredet haben. Wir hatten…

…Eggs Benedict…

 

…Hash Brown mit Chorizo, Spinat und pochierten Eiern…

 

…Pancakes mit Blaubeeren…

 

…hausgemachte Limonade…

 

…und natürlich Kaffee!

Weil meine Schwester und ich das Birmingham-Wochenende unserer Mutter zum Geburtstag geschenkt hatten, musste natürlich ein Besuch im Botanischen Garten eingeplant werden. Denn wenn Du mal den Begriff „grüner Daumen“ nachschlägst, findest Du sicherlich ein Foto von den Daumen meiner Mutter! Wetten? Während mir sogar Kräuter auf dem Balkon regelmäßig eingehen, kann sie sogar schwierigste Fälle wieder zum Blühen bringen. Also perfekt für einen Besuch auf der Insel, die bekannt ist für ihre unglaublichen Gärten und Parkanlagen – einer davon mitten in Birmingham: Birmingham Botanical Gardens & Glasshouses!

Skulptur in einem der viktorianischen Glashäuser.

Gärten und Parks gedeihen auch deshalb so wunderbar auf den britischen Inseln, weil es immer wieder mal kurz und heftig regnet. Diese Schauer gehören einfach zu einem Besuch dazu und können in gemütlichen Cafés, Pubs oder eben den herrlichen Treibhäusern des botanischen Gartens überbrückt werden: tropisches, subtropisches, mediterranes und Wüsten-Klima sind die Oberthemen, bevor es nach draußen geht zu den verschiedenen Gärten, die Epochen, Regionen oder Pflanzenarten thematisieren. Einen Überblick gibt die Karte der riesigen Anlage. Mein Tipp: Das Schmetterlinghaus und der Gräsergarten, in dem der Wind rauscht!

Cottage im Botanischen Garten

 

Voliere und Rosengarten

 

Bonsai und Schattenspiel im Japanischen Garten

Ob als ruhesuchender Gast, als Familie mit Kindern oder als Hochzeitsgesellschaft auf Motivsuche: Hier findet sich für jeden ein Plätzchen! Und wer kein Picknick auf den weiten Rasenflächen machen will, besucht einfach den Pavilion Tea Room, in den einst Tony Blair schon zum Gipfel lud. Der Ausblick ist atemberaubend – die Preise sind es leider auch.

Gut zu Fuß solltest Du schon sein in Birmingham! Dann wirst Du belohnt mit Blicken auf typisch englische Häuserzeilen – von klein, zugig und einfachst bis hin zu mondän und herrschaftlich -, üppige Gärten, spannende Geschäfte. Shoppen kannst Du vor allem bei Regen in einer der größten Malls Europas, dem Bull Ring mit seiner interessanten Architektur. Mein Lieblingsladen ist aber Waterstones auf der High Street, einem der schönsten Buchläden (und ein guter Tipp bei Regen!)

Und wenn Dir die Füße dann mal weh tun, ist ein gemütliches Pub immer eine der besten Anlaufstationen, um abzuhängen, Leute zu gucken und sich mit Bier und einem Sandwich oder mehr zu stärken. Besonders schön sind die alten, liebevoll renovierten Gastro-Pubs, die neben der Bar auch meist ein Restaurant in guter Qualität angeschlossen haben. Nicht weit vom Botanischen Garten im Stadtteil Edgbaston liegt The Physician, schon nach dem ersten Besuch mein absoluter Lieblings-Pub!

Birmingham Pub The Physician
Einst Sitz des Birmingham Medical Institutes – heute ein Schmuckstück von einem Pub: The Physician

 

Aufgang zu den – ebenfalls sehenswerten aber nicht fotografierten! – „Rest Rooms“

 

„Brotzeit“ im Pub kann auch mehr sein als ein labberiges Käsesandwich und eine Tüte Chips!

Eigentlich wollten wir gar nicht mehr raus aus unserem gemütlichen Pub mit den bequemen Sesseln, der dunklen Holzvertäfelung und dem köstlichen Essen. Aber Abschluss unseres gemeinsamen Wochenendes sollte ein indisches Abendessen werden – dafür gehe ich dann doch gerne noch mal vor die Tür! Unsere Mutter habe ich nämlich mit meiner Liebe zur indischen Küche angesteckt. Und nirgends kann man so gut und vielfältig indisch essen wie in England: vom einfachen Imbiss (Samosas gibt’s bei fast jedem Bäcker) bis zur Haute Cuisine! Meine Schwester hatte einen Tisch im „Asha’s“ reserviert – einem Restaurant der indischen Bollywood-Schauspielerin Asha Bhosle.

Köstliche Curries im Asha’s

Ich hab nun wirklich schon häufig indisch gegessen – auch in Indien – und koche regelmäßig indische Gerichte. In Deutschland schmeckt das Servierte in indischen Restaurants meist schrecklich gleich. Hier wird offensichtlich häufig mit den Fertigsaucen bekannter Anglo-Indischer-Marken gekocht. Das ist generell nichts Schlimmes, aber eben keine aufregende indische Küche. Deshalb war ich natürlich besonders gespannt auf Asha’s. Schon das Ambiente ist angenehm exotisch, ohne kitschig zu sein: dunkles Holz, schöne Lichtinseln, kleine Nischen für Paare oder Gruppen und ein freundlicher Service. Dazu eine große, aber nicht zu große Speisekarte mit allem, was das Herz begehrt (Vindaloos, Kebabs, Jalfrezis, Kormas usw.) aber auch ein paar Gerichte, die ich auch noch nicht kannte. Ich hatte beispielsweise Chandni Chowk Ka Kheema, ein würziges Gericht mit Lamm-Hackfleisch (oben links im Bild), das ich unbedingt mal nachbasteln will. Unsere Mutter hatte eines der besten Rogan Joshs, das ich je probieren durfte (oben rechts) und unbedingt noch mal zubereiten muss. Und meine Schwester hatte ein fruchtig-feines Chicken Jalfrezi, das ebenfalls ganz oben auf meiner Nachkoch-Liste steht! Dazu passen die köstlichen, frischen Cocktails, die locker mit den würzigen Aromen der Gerichte mithalten können. Mein Tipp: „Empress Wu“, einem fruchtigen Gin-Cocktail mit leichter Bitternote dank Grapefruit und Klettenwurzel sowie Löwenzahn.

Tschüß, Birmingham. Bis zum nächsten Mal!

Zum Abschluss unseres Birmingham-Trips gab’s natürlich noch das weltbeste Rührei. Das kannst Du aber nicht kaufen oder bestellen. Das bekommt nur, wer 40 Jahre Schwestern-Hiebe und -Liebe ausgehalten hat! 🙂 Dafür ist es aber auch das fluffigste und aromatischste Rührei EVER! Danke, Lieblingsschwester, für das wunderbare Wochenende und Deine Gastfreundschaft!

Schön und viel zu schnell rum waren unsere 48 Stunden in Birmingham. Wir hätten so gerne noch eine Kanal-Tour mit dem Boot gemacht. Oder das Jewellry-Quarter besucht. Oder Kochbücher gekauft. Oder… Aber dann eben nächstes Mal!

Übrigens: Birmingham ist Partnerstadt von Frankfurt und hat einen der größten deutschen Weihnachtsmärkte außerhalb Deutschlands zu bieten, der jedes Jahr Scharen von Besuchern anlockt. Wenn Du also mal Frankfurter Würstchen in Weihnachtsmarktatmosphäre essen magst, warum nicht in Birmingham?

Viel Spaß bei Deiner Reiseplanung!

Falls Du noch mehr Tipps brauchst, melde Dich gerne bei mir!

 

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