Die besonders hübschen Food-Blogs Moment in a Jelly Jar und Cook ’n‘ Roll wollen Rezepte aus den 50ern. Und sofort denken wir an Elvis, Petticoats, Polkadots, Buddy Holly und Milkshakes.
Dabei ist unser Bild geprägt von amerikanischen Filmen und der Musik der Zeit. Aber wie sahen die 50er eigentlich hier bei uns aus? In einem zerbombten Land, in dem Trümmerfrauen nicht nur den Schutt wegräumen, sondern auch die Familie ernähren und den Vater ersetzen mussten, der gefallen war. Viele hatten auch gar keine Gewissheit über den Verbleib ihrer Lieben. Ausgemergelte Männer kamen noch bis weit in die 50er aus der Gefangenschaft zurück – oft zu traumatisiert oder versehrt, um im Alltag wieder mit anpacken zu können.
Auch das häufig zitierte „Wirtschaftswunder“ setzte erst Ende des Jahrzehnts ein. Anfangs waren Lebensmittel noch rationiert. Zwar gab es wieder Auslagen in den Geschäften. Doch durch die neue Währung war häufig kein Geld vorhanden, um die Waren auch zu kaufen. Wer auf dem Land lebte, hatte vielleicht noch etwas mehr Glück: Hühner, Schweine, Gemüsebeete halfen dabei, den täglichen Bedarf zu decken. Das höre ich zumindest immer wieder heraus, wenn meine Familie von dieser Zeit erzählt. Aber einfach war es nicht. Und in Saus und Braus lebte kaum jemand. Wenn ich alte Familienfotos aus dieser Zeit sehe, waren die Menschen schmal, abgearbeitet, froh am Leben zu sein nach den grauenvollen Kriegsjahren. Aber Cognacschwenker, Fernseher, Petticoats – das kannten die Menschen in meinem Heimatdorf eher aus dem Kino als aus dem echten Leben.
Nur eines stimmt an meiner Aufzählung oben: Elvis! Denn der King kam 1958 nach Hessen! Im Rahmen seines Militärdienstes war er in Bad Nauheim stationiert und brachte junge Hessinnen in Wallungen. Eine Stele erinnert dort heute an den berühmtesten GI der Welt, auf Stadtführungen können Fans die einzelnen Stationen abgehen und das European Elvis Festival sorgt für Rock ’n‘ Roll-Stimmung in der kleinen hessischen Kurstadt! Wer mehr darüber erfahren möchte, klickt einfach mal hier rein.
Was aber die wenigsten wissen: Angeblich hat Elvis in meiner jetzigen Heimatstadt Wiesbaden seine große Liebe Priscilla kennengelernt! Hammer! Glaubt Ihr nicht? Angeblich wohnte die Gute mit ihren Eltern im Hotel Helene an der Sonnenberger Straße. Das klingt doch ganz glaubwürdig, oder? Mehr zu Mondscheinsparziergängen im Kurpark (meine Laufstrecke!) auf der offiziellen Website der Stadt.
Aber zurück zu den kulinarischen 50ern! Das Jahrzehnt startete einfach, bescheiden, ohne Überfluss oder gar große Exotik. Wer Eier hatte, Butter, Obst zum Einkochen und ab und an vielleicht sogar etwas Fleisch, konnte sich glücklich schätzen. Geschlachtet wurde im Hof und man verwendete alles (!) vom Tier. Schwarzbrüh, eine Suppe mit Schweineblut, war nichts Ekliges sondern ein Festmahl. Gleichzeitig eröffneten die Alliierten neue Welten: Meine Eltern schwärmen heute noch von Kaugummis und Schokolade, die ihnen von GIs zugesteckt wurden.
Hosen aus alten Soldatenmänteln statt Blue Jeans, Selbstgenähte oder -gestrickte Unterwäsche statt schwingender Petticoats, Butterbrot statt Schweinsbraten – so sah es in den 50ern wohl häufig aus.
Und deshalb gibt es bei mir auch keine glitzernden Cupcakes oder Süßkram mit Polkadots sondern eine Reminiszens an die Menschen dieser Zeit, die erst langsam wieder in die Normalität zurückfanden: Eiersalat!
Erinnert Ihr Euch noch an Eiersalat? Der stand in meiner Kindheit gerne mayonnaisig und schon leicht angetrocknet auf Buffets. Manchmal enthielt er Mandarinen-Scheiben aus der Dose oder ähnlich perverses Zeug. Er schmeckte eigentlich genauso absurd wie Hühnchen-Salat (mit Mandarinen und Mayo) oder Nudelsalat (mit Mandarinen, Erbsen und Mayo) oder Krabbensalat (mit Mandarinen, Mayo und einem extravaganten Spritzer Sherry!).
Mit Eiersalat kann man mich also jagen. Eigentlich. Aber heute kommen Mandarinen nicht mehr aus der Dose. Ebensowenig wie Champignon-Köpfe oder grüner Spargel! (Die „Gnade der späten Geburt“ bekommt da plötzlich eine ganz neue Bedeutung). Der Eiersalat des 21. Jahrhunderts kommt viel leichter und frischer daher. Und weil er so lecker ist, steht er nicht lang rum und trocknet nicht an!
Zutaten für den Eiersalat des 21. Jahrhunderts:
2 hartgekochte Eier
4 große Radieschen
etwas Radieschenblattgrün
1 EL Pimpinelle-Blättchen
4 Blätter Borretsch
100 gr Joghurt
1 TL Honig
1 TL mittelscharfer Senf
Salz
weißer Pfeffer
Prise Zucker
Zutaten: Scharfes Messer, kleiner Topf zum Eierkochen, Küchenbrett, eine mittelgroße sowie eine kleine Schale.
Zubereitungszeit: 8 min für die Eier, 15 min Zubereitung. Ggf. 30 min Zeit zum Durchziehen.
So geht’s:
Eier hartkochen, Radieschen waschen und fein würfeln, Pimpinelleblättchen vom Stengel zupfen, Borretsch fein hacken.
Eier schälen, abkühlen lassen und fein würfeln. Alles in die mittelgroße Schale geben.
Joghurt, Senf, Honig und Gewürze in der kleinen Schale glatt rühren und über den Salat geben.
Gut vermischen, etwas durchziehen lassen (dabei kühl stellen).
Vor dem Servieren Salat aus dem Kühlschrank nehmen.
Dazu passen gut Roggenbrötchen. Diese halbieren und antoasten, Eier-Radieschen-Tartar darauf verteilen und servieren.
Einfache Zutaten, ein klassisches Rezept und ein bisschen moderne Frische – fertig ist mein köstliches 50er-Jahre-Rezept!
Und damit Ihr mal seht, dass die 50er in Wiesbaden immer noch gelebt werden, habe ich einen weiteren Klassiker fotografiert. Also quasi zwei Klassiker: Käsewürfel auf einem original Nierentischchen!
Herzlichen Dank für das tolle Blog-Event an die beiden Ausrichterinnen! Die kleine Zeitreise und die Recherche über meine Heimat haben mir viel Spaß gemacht!
Aaaalso, wenn ich mir das Rezept für den Eiersalat so anschau, dann weiss ich nicht, ob mir der aus den 50ern nicht lieber gewesen wäre…..
Ein Rezept in „moderner“ Zusammenstellung – brrrrr!
So schlecht waren die Dosenprodukte im Zusammenhang mit Ei nicht.
Erbsen aus der Dose sind einfach nicht zu vergleichen mit Frisch- oder TK Ware. Das ist ein eigenständiges Nahrungsmittel – um den Begriff Lebensmittel zu vermeiden, denn Dose macht allenfalls satt.
Und auch die wunderbare Ananas aus der Dose, die es Sonntags mit Schlagsahne gab – würde ich durch nichts ersetzen wollen.
Und erst die Schinkenrollen mit Sahnemerrettich, die mit dem Spargel aus dem Glas, waren eine unwiederbringliche Gaumenfreude.
Dass wir inzwischen mehr über vernünftige Ernährung wissen, anders kochen und essen, Frische und Produkte aus der Region bevorzugen – das passiert heute, hier und jetzt.
Blos Radieschen und Honig im Eiersalat ———-brrrrrr!
Da lob ich mir doch
kleingewürfelte, hartgekochte Eier
sehr klein gewürfelte Zwiebel
Schnitzellachs (Lachsersatz) aus dem Glas (das erspart auch Salz und Öl)
Erbsen aus der Dose – gespült und abgetropft
Pfeffer und ein Spritzer Essig und ein paar Schnittlauchröllchen „fürs Auge“
Nicht zu vergessen die „Russischen Eier“ auf Fleischsalat
und die Fliegenpilze aus Ei und Tomatenhäubchen mit appetitlichen Tupfen aus Majonnaise.
So eine 50er Jahre Party mit besagtem Elvis im Hintergrund – das hat was!
Servus
Erinnerungen sind etwas Wunderbares. Und wenn Du lieber Lachsersatz und Spargel aus dem Glas isst als frische Produkte, dann ist das völlig ok. Für mich ist das aber keine Option. Einigen wir uns einfach darauf: Elvis ist der King! 😉
Jetzt setz ich noch eins drauf und stelle Maggi auf den Tisch.
Ohne Maggi ist in den 50ern ja garnix gegangen.
Wenn ich denke, dass heute in jeder „guten“ Küche Worcester- und Soja- und Fischsosse zu finden sind, so gilt die europäisierte Form der Sojasosse als verpönt…..
Aber wenn ich an das Ei mit Maggi denke —– wie wunderbar.
Und dazu Elvis im Hintergrund – was waren die 50er doch für eine tolle Zeit. Vielleicht auch nur, weil ich damals noch sehr jung war?????
Also mir würde der sehr gut schmecken, mit den Radieschen und frischen Kräutern.
Er war köstlich und hatte nichts mehr Gruseliges an sich (Dosenmandarinen!!)
Liebe Julia,
ich finde deinen Ansatz superklasse! Genauso war es nämlich bei uns in Mitteleuropa. Den Menschen erging es nicht so blumig, sie mussten mit dem auskommen, was sie hatten.
Und darum gefällt mir deine Version des Eiersalats so gut. Es vereint Altes mit Neuem – einfach klasse!
Danke, dass du dabei bist!
Alles Liebe,
Conny
Ja, und dann fuhren schon bald die ersten Urlauber nach Italien und brachten „Pastaschuta“ mit und die ersten Camper öffneten Dosen mit Ravioli!
Ich kann mich noch gut an die Ratlosigkeit erinnern, mit denen wir vor den langen Spaghettis und den kleinen Töpfen gestanden sind…..
Aber die „echte italienische Salami“ in der gerüchteweise Esel verarbeitet wurden – sie schmeckte sooooo gut.
Samstag Nachmittag gabs Tee mit Zitrone und Schinkenbrot – dazu haben die
Glocken vom Dom den Feierabend eingeläutet. Um 15 Uhr!
Was für ein wunderbares Jahrzehnt, in dem auch die Plastikbeutel und die Kugelschreiber in die Geschäfte kamen und die Pfennigabsätze an den Schuhen……
Für mich ist das eine Erinnerung an meine „gute alte Zeit“ – ich danke Euch dafür!
Ist das nicht toll, wofür so ein Blog-Event alles gut ist? Danke, dass Du uns an Deinen Erinnerungen teilhaben lässt!
Eiersalat mit Radieschen – großartig. Damit werde ich die Tage bei IHM punkten, liebt er nämlich beides 😀
Oh, dann liebe Grüße an IHN & legt mal wieder Elvis auf 🙂
Auf meinem Blog hatte ich mal ne ganze Serie über Eiersalat… http://www.foodfreak.de/tag/eiersalat/
Die 50er waren vor meiner Zeit, zu Elvis fällt mir ein, dass mein Großvater meine Mutter wohl angebrüllt hat, sie solle die Negermusik ausmachen (sic.)
@Ingrid O._ Ja es gibt tatsächlich Eselsalami, nicht nur gerüchtehalber – sowas habe ich in der Toskana gegessen – ist natürlich dieser Tage rar, aber durchaus lecker.
Eine ganze Serie! Ich bin begeistert! Gleich mal vorbeisurfen. Natürlich waren die 50er auf vor MEINER Zeit. Aber ich fand’s spannend, mich mal damit zu beschäftigen. Und: Eselssalami rockt! Ich habe die auch schon gegessen (aus Frankreich) und fand sie phantastisch!
Hallo, meine Tochter, ich tu es ja wirklich ungern (!) aber richtigstellen muss ich es ja schon, zumal ich Zeitzeuge bin. Elvis war in Friedberg stationiert und wohnte nur (und was sonst er noch da machte) in Bad Nauheim. Ein toller Beitrag von Dir (oder wie nennt man das heute?) Grüsse von Deinem papa
Oh, da hätte ich den Zeitzeugen-Papa mal vorher fragen sollen!! Aber immerhin: Geknutscht hat er in Wiesbaden 🙂