Im Zusammenhang mit dem Welttag des Buches, hat mir der GU-Verlag nicht nur das Verlosungs-Kochbuch „Indien. Küche & Kultur“ zur Verfügung gestellt. Sie haben mir auch ein weiteres Kochbuch, das neu im Programm ist, zum Testen geschickt: „Country Basics“ von Cornelia Schinharl, Sebastian Dickhaut (für 15 € im Buchhandel erhältlich).
Aus der Reihe kannte ich bisher nur den Band „Oriental Basics“, der einen schönen, leichten und sehr pragmatischen Einstieg in die orientalische Küche bietet. Deswegen war ich gespannt, was sich hinter Country Basics verbirgt.
Ich habe das Buch untersucht mit Blick auf die Idee, die Stringenz des Konzepts, das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Nachkochbarkeit der Rezepte. Pro Kategorie gibt es maximal 3 Pluspunkte zu holen. Die führen dann zum Gesamt-Eindruck und der Endnote.
Die Idee: Hier steht ganz die saisonale und regionale Küche im Vordergrund. (Wenn regional hier auch sehr stark mit bayerisch gleichgesetzt zu sein scheint. Oktoberfest, Biergarten, Pflanzerl, Brezn, Datschis finden sich zahlreich wieder, ganz im Gegenteil zu hessischem Handkäs, norddeutschem Labskaus, Dresdner Eierschecke oder rheinischem Sauerbraten.) Unterteilt ist der Band in die vier Jahreszeiten mit vielen Tips zu Gemüse- und Obstsorten, die in der jeweiligen Zeit besonders gut schmecken und ohne weite Transportwege erhältlich sind. Gerade Neueinsteiger oder reine Stadtpflanzen finden die Übersichten zu den „Top 10“ in Frühling, Sommer, Herbst und Winter sicherlich hilfreich. Das Wissen um die Erntezeit von neuen Kartoffeln, Wirsing oder Tomaten ist in Zeiten der ständigen Verfügbarkeit ja leider nicht mehr vorauszusetzen. Hier bekommt „Country Basics“ die vollen 3 Pluspunkte.
Quasi als 5. Jahreszeit finden sich am Ende des Buches dann noch Tipps und zahlreiche Rezepte zum Einmachen und Einkochen, um die Genüsse der Jahreszeiten auch länger haltbar zu machen. Etwas nervig sind – nicht nur an dieser Stelle – die ständigen Hinweise darauf, wer sich wann so richtig „country“ fühlen kann, etwa dann, wenn man selbst räuchert. *augenroll*
Das Konzept: Aber was ist eigentlich dieses „Country“-Gefühl? Hier werfen die Autoren bio, regional, saisonal, selber machen bunt durcheinander. Mit der Bildsprache (karierte Blusen, Bauernhofidylle, blühende Obstbäume, grüne Wiesen, …) orientiert sich das Buch für meinen Geschmack etwas zu sehr an „Landlust“ & Co., also all jenen Magazinen, die Städtern das angebliche Landleben näher bringen wollen. Wer aber wie ich auf dem Dorf groß geworden ist, weiß, dass es „auf dem Land“ längst weniger romantisch zugeht, als man das in Berlin Mitte, dem Frankfurter Nordend oder in München Neuhausen gerne hätte: Statt Bio-Hofläden gibt es Supermarkt-Ghettos am Ortsrand, statt jede Kuh mit Namen zu kennen, kämpfen Bauern täglich um’s Überleben, EU-Subventionen und Milchpreis-Dumping.
Dass sie mit ihrer Apfelbaumidylle auf den Fotos doch etwas zu dick auftragen, haben die Autoren wohl selbst gemerkt und versuchen deshalb, das Ganze ironisch zu brechen – etwa im Vorwort: „Die Vorstellung von ländlicher Idylle spukt wohl hauptsächlich in den Köpfen von Stadtbewohnern herum (…)“. Allerdings nicht, ohne dann doch wieder zu „be country“ zu animieren. Durch die häufigen Übertreibungen und das gleichzeitige Zurücknehmen, weil man dann wohl doch gemerkt hat, dass das ganze Country-Konzept zu weit hergeholt ist, wirkt das Kochbuch unentschieden. Als trauten sich die Autoren selbst nicht zu, das „Country“-Konzept glaubwürdig und ernsthaft zu vermitteln. Übrig bleibt 1 Pluspunkt für die Ironie.
Was gibt’s für’s Geld? Wer weniger kritisch rangeht, erhält viele appetitliche Rezepte und umfangreiche Tipps und Informationen zu einem fairen Preis. Denn das Kochbuch hat nunmal einen wirklich sympathischen Ansatz: saisonale Gerichte – von der leckeren Kleinigkeit zum aufwendigen Hauptgericht – mit einfachen Zutaten, die es auf dem Wochenmarkt oder im Supermarkt gibt. Die Rezepte eignen sich vor allem für Einsteiger, bieten aber auch erfahreneren Köchen schöne Anregungen. Für das Preis-Leistungs-Verhältnis (variantenreiche Rezepte, fairer Preis) gibt es die vollen 3 Pluspunkte.
Die Rezepte: Mit GU-Büchern habe ich bisher immer sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich habe insgesamt vier Rezepte ausgewählt, die relativ Saison-unabhängig sind: Pilzragout, Breznknödel, Zwiebelbrot mit Ziegenkäse und Laugenbrezn.
Mein Rezepte-Fazit im Detail:
Das Pilzragout war kinderleicht und hat absolut perfekt geschmeckt – nicht so sahnig und schwer, wie man es oft in bayerischen Gaststätten bekommt, sondern leicht und frisch. Ein absoluter Wirtshaus-Klassiker, den es jetzt sicher öfter geben wird. Dieses Rezept hat zu 100% funktioniert.
Die Breznknödel – meine allerersten Knödel überhaupt und deshalb ein echter Härtetest! – waren fluffig und haben extrem gut geschmeckt. Allerdings hätte im Rezept stehen müssen, dass die Breznstücke von altbackenen Laugenbrezn kleingehackt werden sollten. Stattdessen hieß es „in Scheiben schneiden“. Dann sind die Brocken aber zu groß und machen die Knödel sehr unebenmäßig, was wiederum dazu führen kann, dass sie auseinander fallen.
Die Laugenbrezn habe ich unbedingt backen wollen, weil es in ganz Hessen keine Brezn gibt, die auch nur annähernd an die Münchner Varianten herankommen. Ich hatte also Visionen von knusprig, fluffigen Brezn. Das hat aber leider nicht so ganz hingehauen. Das Ergebnis fand ich enttäuschen, obwohl ich mich wirklich 100% an das Rezept gehalten habe: Die Brezn hatten eine wellige Oberfläche, keine schön dunkelbraun glänzende. Außerdem waren sie innerhalb von 2 Stunden zäh. Nachdem ich mir Rat in Backforen geholt habe, liegt der Verdacht nahe, dass der Teig nochmal gut durchgekühlt werden muss, bevor er in der Lauge getaucht wird. Das stand aber so nicht im Rezept. Ob es allerdings wirklich an der Temperatur lag, muss ich noch mal ausprobieren. Geschmacklich waren die Brezn allerdings ok. Ich werde sie auf jeden Fall noch öfter backen, bis ich endlich originale Biergarten-Brezn habe!
Das Zwiebelbrot mit Ziegenkäse habe ich nicht fotografiert. Deshalb darf ich das Foto aus dem Kochbuch abbilden:
Ein sehr leckerer, schnell zuzubereitender Abend-Snack mit einer tollen Mischung aus Zwiebel-Marmelade und Ziegenkäse. Nach dem Rezept waren mir die Zwiebeln noch zu herb, weshalb ich mehr Zucker und etwas mehr Traubensaft mit einkochen ließ. Die Mischung ist auf jeden Fall mein Ding und kommt öfter auf den Tisch.
Das Rezepte-Fazit in der Zusammenfassung: Ein Rezept gelang perfekt, ein weiteres musste für meinen Geschmack etwas nachjustiert werden, die Knödel und die Brezn haben nicht 100% hingehauen. Wer wenig Erfahrung hat, verzweifelt möglicherweise schnell an der knappen und manchmal uneindeutigen Rezeptebeschreibung: Mal ist Butter in Gramm, mal in Löffel-Maß angegeben, Mehl bleibt ohne Typen-Angabe. Die Zubereitungszeit ist realistisch. Positiv aufgefallen ist mir, dass bei den Rezepten für die „5. Jahreszeit“ immer auch die Haltbarkeit angegeben ist. Das hilft bei der Planung. Hier steht es unentschieden. Dafür gibt es 1,5 Pluspunkte.
Mein Kochbuch-Gesamt-Eindruck: Wer wirklich tief in die Materie „saisonales Kochen“ einsteigen will, der wird in „Country Basic“ einige Ungereimtheiten finden und es wohl eher für zu oberflächlich halten. Das Bemühte „be country“ geht etwas auf die Nerven. Die ironische Distanz der Autoren wirkt eher hasenfüßig als sympathisch – nicht Fisch nicht Fleisch. Die Schlagseite Richtung Bayern nervt eventuell nur mich nach meinen zehn Jahren München. Mehr Variantenreichtum wäre schön gewesen, stört aber nicht wirklich. Für Einsteiger, als praktische Übersicht und als Anregung für das Kochen nach Jahreszeiten erhält man aber ein schön bebildertes, mit vielen Infos und Tipps sowie leckeren Rezepten versehenes Kochbuch. Ich habe noch mind. zehn Rezepte auf die Nachkochliste gesetzt. Wie immer bei der Basics-Reihe gefallen mir Layout, Bildsprache und Übersichtlichkeit. Daraus ergibt sich…
…das Gesamt-Ergebnis: 8,5 von 12 möglichen Pluspunkten.
Meine Empfehlung: Ich kann mir „Country Basics“ als passendes Geschenk vorstellen für junge Leute, die in die erste eigene Wohnung ziehen. Sie bekommen einfache, unkomplizierte Rezepte, mit denen sie sich – von leicht bis anspruchsvoll – für sich selbst und für Gäste, für den WG-Brunch oder für ihr erstes Eltern-sind-zu-Besuch-Dinner ans Kochen herantasten. Auch für junge Eltern mit nicht mehr ganz kleinen Kindern, die dem Nachwuchs das Bewusstsein für saisonale Zutaten und regionale Herkunft beibringen wollen, ist das Buch eine tolle Idee.
Kennt Ihr das Buch und wie hat es Euch gefallen? Habt Ihr andere Quellen für saisonale Rezepte?
wow – eine sehr ausführliche und bestens nachvollziehbare Buchkritik! Vielen Dank!
Danke. Ein Buch verdient ja auch Aufmerksamkeit…
Schöner Bericht! Ich werde mal abwarten, ob noch einige Kommentare dazu eintreffen und mir dann überlegen, ob ich das Buch wirklich brauche…
Dem Platz im Bücherschrank nach ehr nicht 😉
Danke. Ich bin gespannt, ob es schon jemand kennt. Ist ja noch „relativ“ neu.
Sehr detailierte Kritik, die mir bestätigt, was ich schon vermutet hätte: dieses Buch brauche ich nicht 😉
Zu den Brez’n. Hast du echte Lauge verwendet oder nur Natronlauge? Ich habe letztes Jahr öfter welche gebacken und festgestellt, dass sie nur mit „echter“ Lauge gelaugt gut werden. Werde das Rezept demnächst posten! Liebe Grüße.
Darüber streiten sich echt die Geister. Ich habe Natronlauge verwendet – schien mir erstmal sicherer 😉 Auf Dein Rezept bin ich SEHR gespannt. Denn gute Brezn sind himmlisch!
Danke für die ausführliche Besprechung. Sie hat mir gezeigt, dass es auch Bücher gibt, die ich nicht kaufen muss 😉
Zu den Brezen: Ich habe jahrelang Brezen mit Natronlauge gebacken – die werden einfach schnell zäh. Mit echter Lauge funktioniert es wesentlich besser.
Dann muss ich wohl wirklich die echte Lauge nehmen. Danke für den Tipp!
Tolle Rezension! Dass du so genau beschreibst was dir bei dein Rezepten (sowohl positiv als auch negativ) aufgefallen ist, find ich besonders hilfreich.
Für mich ist das Buch eher nichts.
Ich finde es auch schade, dass regional oder „traditionell deutsch“ oft mit Biergartenspeisen gleich gesetzt wird. Nicht dass das nicht lecker ist, aber Grie Soß ist genauso typisch deutsch 😉
Danke, Hannah. Ich finde auch, dass Grie Soß, Handkäse oder Schneegestöber mit JEDEM Biergarten-Gericht mithalten können 😉