O’zapft is – Alternativen zum Wiesn-Wahnsinn

Spätestens seit den Böllerschüssen um 12 Uhr ist klar: In den nächsten zweieinhalb Wochen herrscht um uns herum wieder der Wahnsinn. Dabei ist mir auch nach fast zehn Jahren München immer noch nicht klar, warum ich plötzlich für etwas rund 50% mehr bezahlen soll, was es sonst das ganze Jahr über auch gibt (die (mitunter schlecht eingeschenkte!) Maß kostet in diesem Jahr rund 9 Euro!). Denn mal ganz ehrlich: Es ist ja nicht so, als gäbe es in den restlichen 50 Wochen kein Bier in München… *hochgezogene Augenbraue*

Aber natürlich will ich den Reiz gar nicht schlecht reden, den das Oktoberfest für die mehr als sechs Millionen Besucher hat, die jährlich in diesen zwei Wochen München heimbesuchen. Wer aber zwischen all dem Bierdunst, den Körperflüssigkeiten, dem Rumgegröhle und den zerschmetterten Bierkrügen bayerische Genüsse und ein bisschen Ruhe finden will, dem kann selbst im unmittelbaren Umkreis der Wiesn fündig werden:

BIER, HAXN und SCHNITZEL:

Etwa 700 m Fußweg von der Wiesn entfernt liegt der „Sendlinger Augustiner“ in der Alramstraße 24 (U3/U6 Haltestelle Implerstraße). Eine urige Stadtteil-Kneipe mit typischen Wirtshausstandards und saisonaler Tageskarte. Samstag ist hier Schnitzeltag mit verschiedenen Variationen für 6,66 Euro. Meiner Meinung nach gehören die Schnitzel und Pommes hier zu den besten der Stadt. Da der Augustiner eine Eckkneipe ist, finden sich bei schönem Wetter immer einige Sonnenplätzchen an der ruhigen Straßenkreuzung mitten in einem der traditionellsten Stadtviertel. Hier treffen sich Familien, Künstler, Alteingesessene und Touris. Besonders gelobt von Anne wurde auch der sonntägliche Brunch (10.30-14.00 Uhr für 10,50€ inklusive aller Heißgetränke!), den ich aber selbst noch nie mitgemacht habe.

Ähnlich nah an der Wiesn aber in Hackerbrücke aber immer noch zu Fuß erreichbar liegt die „Augustiner Bräustubn“ in der Landsbergerstraße 19. Die große Halle und der Geräuschpegel erinnern schon ein bisschen eher an die Bierzelte. Dafür ist das Preis-/Leistungsverhältnis hier gigantisch gut! Gleich neben an ist die Augustiner-Brauerei in alten Backsteingebäuden untergebracht. Da die Bierfässer für die Wiesn-Zelte immer noch per Pferdewagen transportiert werden, stehen hier in den nächsten zwei Wochen die riesigen Braurösser und können vom Wirtsraum aus sogar betrachtet werden. Sehr urig, sehr bayerisch und vielleicht nicht jedermans Geschmack. Günstiger kann man aber kaum noch in so einer zentralen Lage essen. Die Vliesshaxe mit Speckkrautsalat und Kartoffelknödel gibt es am heutigen Samstag beispielsweise für 7,95€. Vergleicht das mal mit der Wiesn 😉

HENDL:

Nichtmal 150m von der Theresienwiese entfernt gibt’s die leckersten Hendl ganz Münchens. Das „Lindwurmstüberl“ an der Lindwurm-/Ecke Herzog-Heinrich-Straße (U3/U6 Haltestelle Goetheplatz) hat während des Oktoberfests sieben Tage die Woche geöffnet. Da es große Fenster hat und an einer Kreuzung liegt, kann man mit einem Fensterplatz herrlich die Wiesn-Besucher beobachten, über die in Fernost gefertigten Dirndl lästern und auch sonst allerlei Merkwürdigkeiten beobachten (unglaublich, was für Kopfbedeckungen manche Leute tragen, wenn sie betrunken sind). Einrichtung und Flair haben auch nach der Renovierung immer noch den Charme der 50er bis 70er Jahre. Aber das super knusprige, mit Kräutern gestopfte, saftig-fleischige Hendl ist einfach immer wieder ein Kracher. Dazu gibt’s Augustiner-Bier, hausgemachten (angeblich täglich frisch!) Kartoffelsalat und die typisch ruppigen Bedienungen. Besser geht’s nicht. (Die Klamotten riechen hinterher sogar, als hätte man in einem Bierzelt gesessen ;-))

WEISSWÜRSTE:

Also mich kann man damit ja jagen. Alleine süßer Senf ist für mich schon Blasphemie (und das war es schon, bevor ich einen Düsseldorfer geheiratet habe!). Aber zu einem München-Besuch gehört ein Weißwurst-Frühstück einfach dazu. Deshalb hier mein Tipp für die angeblich besten der Stadt und in Wiesn-Nähe: Die „Gaststätte Großmarkthalle“ liegt in der Kochelseestraße 13 (U3/U6 Haltestelle Implerstraße) und ist ca. 1,5 km von der Wiesn entfernt.  Wenn der Viktualienmarkt das Herz Münchens ist und die Theresienwiese der besoffene Kopf, dann ist das Areal rund um die Großmarkthalle – das so genannte Schlachthofviertel – der Bauch der Stadt. Da die Gaststätte natürlich auch für die Arbeiter der Großmarkthalle da sein soll, öffnet man schon um 7 Uhr in der Früh und macht entsprechend werktags um 17 Uhr, am Samstag um 13 Uhr zu. Sonn- und Feiertags ist zu. Dafür trifft man aber auch „echte“ Münchner und sitzt mit dem Schlachter, dem Lkw-Fahrer und dem Rentner an einem Tisch. Mittagsmenüse gibt es ab 5,50 Euro, die Kartoffelsuppe kostet 2,15 Euro (wo gibt’s das noch in München??) und ausgeschenkt wird Paulaner. Zum Wohl!

KAISERSCHMARRN:

Für die kleinen Süßschnuten unter Euch gibt’s auch einen Tipp. Denn nach so viel Bier, Brezn und Fleisch gelüstet es einen ja auch mal nach Zucker.

Den wirklich allerbesten Kaiserschmarrn Münchens gibt es etwas von der Wiesn entfernt in Schwabing. Dort sollte man ja aber eh mal hinfahren, wenn man in der Stadt ist. Mit der Tram 27 geht’s zum Kurfürstenplatz oder mit der U2 zum Hohenzollernplatz und ab in’s „Scheidegger“ (Isabella-/Ecke Bauerstraße). Wieder eine Augustiner-Stadtteil-Gasstätte mit sehr viel Charme, täglich wechselnder saisonaler Karte, wunderbar freundlichen Bedienungen und einer wirklich ausgezeichneten Küche. Die blanken Holztische sind urig gemütlich, das Publikum bunt gemischt und Schwabing-typisch auch recht jung und kinderfreundlich. (Wir haben hier übrigens nicht zufällig unsere Hochzeit gefeiert ;-)) Auf den Kaiserschmarrn wartet man – wie überall, wo er frisch gemacht wird – mindestens 20 Minuten. Dafür werden aber auch mindestens zwei Leute davon satt. Und bisher hat noch jeder davon geschwärmt. Überhaupt muss ich Euch das Scheidegger demnächst mal näher vorstellen. Den Schweinsbraten mit Semmelknödel und Dunkelbiersauce für 8,80€ am Sonntag, die grandiosen Salate mit hausgemachten Dressings, die Kirchweihgans und und und sind nämlich auch immer einen Besuch wert!

SOUVENIRS:

Soll’s noch was für die Daheim-Gebliebenen sein? Bitte Finger weg von Bierkrug-Hüten, Billig-T-Shirts und sonstigem Schmarrn. Wirklich schöne, geschmackvolle und besondere München-Souvenirs gibt’s bei „Servus Heimat“ im Hackenviertel (Brunnstr. 3 Nähe Sendlinger Tor) und im Stadtmuseum (zwischen Synagoge und Viktualienmarkt – also eh einen Besuch wert!). Hier gibt es witzige, verrückte, schöne Sachen von günstig bis teuer. Kostprobe gefällig? Seehofer- und Stoiber-Hampelmann-Figuren, Armbänder mit Bambi-Anhänger, Plätzchenausstecher „Frauenkirche“, T-Shirts mit Brezn-Aufdruck, Filz-Untersetzer mit Dackelmotiv, Frühstücksbrettchen mit München-Stadtplan – und im Winter dann Christbaumschmuck in Sissi-, LudwigII-, Brezen-, Radi- oder Bierkrug-Optik. Hier findet man immer was und kann „zur Not“ auch einfach die DVDs von „Kir Royal“ oder „Monaco Franze“ mitnehmen. Denn: A bissl was gaht ollewei, gell, Spatzl?

RUHE:

Wem nach dem Wiesn-Besuch der Kopf schwirrt, sucht rund um die Theresienwiese natürlich vergeblich Ruhe und Einsamkeit. Die 6 Millionen Besucher müssen ja irgendwo unterkommen. Aber es gibt ganz in der Nähe des Festgeländes trotzdem eine Oase, die gerade bei schönem Wetter zum Durchatmen, Nachdenken und Krafttanken einlädt: Der Münchner Westpark ist nicht nur einen Katzensprung von der Theresienhöhe entfernt, sondern auch der neben dem großen Bruder „Englischer Garten“ immer ein bisschen vernachlässigt. Wie ich finde, ganz zu Unrecht. Neben Grünflächen, Rad- und Spazierwegen, Seen (mit Schildkröten!) und natürlich auch zwei Biergärten (Hopfengarten (Hacker-Pschorr) und Rosengarten (Paulaner)) gibt es eine thailändische Sala, eine nepalesische Pagode, einen japanisch und einen chinesisch angelegten Garten sowie Kunstwerke, Spielpläzte, Grillstätten und ein echtes Alpenhäuschen.

PS: Hier kann man auch prima joggen, da auf meiner Hausstrecke es jetzt eher zum Hindernislauf würde.

Ich hoffe, für Euren nächsten München-Besuch (aber vielleicht auch für Münchner selber) waren ein paar spannende Tipps dabei. Lasst mich doch mal wissen, was so Eure „Geheimtipps“ sind oder was Ihr entdeckt habt.

Bleibt mir noch, allen eine hoffentlich friedliche Wiesn zu wünschen. Und um’s mit dem Kaiser zu sagen: Jetzt geht’s raus und spielt’s Fußball!!

Fotos: Sendlinger Augustiner, Augustiner Bräustuben, Lindwurmstüberl, Gaststätte Großmarkthalle, Servus-Heimat, Wikipedia

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  1. Tolle Tipps, die ich als fast echtes (ein richtiges ist man irgendwie erst in 3. Generation…) Münchner Kindl voll und ganz unterschreiben kann.

    Wobei ich ja zugeben muss: ich gehe ganz gern auf die Wiesn. Irgendwie gehört das einfach dazu. Auch wenn das Bier teuer ist. Wobei die halben Hendl meist die besten sind (oder es ist einfach die Atmosphäre 😉 ).

    Im Westpark gibt es übrigens im März immer einen 5 bzw. 10km Lauf. Ich habe da dieses Jahr das erste Mal teilgenommen und so durch die verschneite Parklandschaft laufen macht Spaß. Vielleicht sehen wir uns ja 2011 dort. 🙂

    1. Der Lauf im Westpark war mein erster 10km Lauf vor 1.5 Jahren. War ganz schön vereist und schweinekalt. Aber toll! Wir sollten uns unbedingt 2011 dort treffen – if not before.
      Und klar ist die Wiesn ein Muss. Aber ein paar Alternativen zu kennen, schadet ja nie. Vor allem für Besucher, die in den restlichen 50 Wochen nach „Minga“ kommen 🙂

  2. baeckersuepke says:

    Danke für die tollen Tipps!
    Wolfgang

  3. Kleine Aktualisierung 2013:
    – Das Lindwurmstüberl hat seit Sommer einen neuen Pächter; es heißt, das Hendlbraten müsse der noch ein bissl üben.
    – Die Augustinerbrauerei ist die einzige, die tatsächlich noch Holzfässer verwendet; die anderen Brauereien schenken aus Stahltanks aus – die sie auf den Pferdegespannen mit Holzfassdeko tarnen.

    1. Oh, man merkt, dass ich seit 2 Jahren nur noch als Gast nach München komme… Hoffen wir das Beste fürs Lindwurmstüberl. Und die echten Holzfässer sind natürlich ein weiteres Plus für die Augustiner-Brauerei. Haben eh das beste Bier (solange es kein Edelstoff ist!). Danke für die Infos.

  4. Katrin Neumann says:

    Kleine Aktualisierung 2015:
    – Der Scheidegger hat inzwischen auch einen neuen Pächter, die Küche hat seitdem leider stark nachgelassen.

    1. Oh je, wie schade 🙁 Danke für das Update!

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