Es gibt Weinregionen, die einfach ein Schattendasein führen. Oder vielleicht einfach nicht das Gleiche in Marketing stecken können wie Bordeaux, Napa Valley oder Stellenbosch. So ging es in der Vergangenheit etwa auch Griechenland, was sich langsam zu ändern scheint. Zumindest ist das Santorin- und Kreta-Special im aktuellen Feinschmecker vielleicht ein Hinweis darauf. Immer noch unter „ferner liefen“ werden allerdings die Weine aus Ungarn geführt. Umso besser, wenn man liebe Freunde hat, die unseren Horizont dadurch erweitern, dass sie die aus dem Urlaub mitgebrachten Flaschen aus dem Urlaub mitbringen, sondern sie auch noch mit uns teilen 🙂
Am Wochenende stand bei Barbara und Thomas die Verkostung von einem Rosé, einem Grauburgunder, einem roten Cuvee sowie einem reintraubigen Cabernet Sauvignon – allesamt aus der Region Villány – an. Und da Barb ungarische Wurzeln hat, gab es auch noch leckere Snacks mit unaussprechlichen Namen dazu. Natürlich ist ein Abend mit Freunden nicht dazu angetan, sich gewissenhaft sämtliche Aromen und Feinheiten zu notieren. Aber vielleicht machen Euch die folgenden Notizen neugierig auf mehr. (Wenn ich irgendwo Unsinn geschrieben oder etwas verwechselt habe, korrigiert mich bitte. Für mich ist das Weinland Ungarn noch absolutes Neuland!)
Der 2009er Rosé von Edi Tiffan, einem der bekanntesten ungarischen Weinproduzenten, war von einem kräftigen, fast rostigen Rosa und deutlich intensiver, als vermutet – beinahe schon würzig. Die kalkigen Böden der Region eignen sich wunderbar für den Anbau von Merlot oder Cabernet und erhalten durch das Klima einen ganz eigenen Charakter. Edi Tiffan gehört zu den absoluten Spitzenwinzern in Ungarn, der die besten Restaurants in Budapest beliefert. Ein Name, den wir uns sicherlich merken werden, und den wir – wie ich zu meiner Schande gestehen muss – bisher nicht kannte.
Matias Badasonyi Szürkebarat. Wer das aussprechen kann, ist in jedem Fall noch nüchtern. Wobei Szürkebarat Grauburgunder bedeutet und Badasonyi die Weinregion ist. Der Grauburgunder war lecker aber eigentlich keine Überraschung. Sehr rund und ohne jegliche Spitzen, die im Gedächtnis geblieben wären. Insgesamt merkt man den Weinen die intensive Sonne – und dem u.a. damit verbundenen Alkoholgehalt – an.
Wer bei „Eger Stierblut“ noch an schwere Kopfschmerzweine denkt (der Name war sogar mir ein schauriger Begriff), sollte dringend die neuen Weine der großen Winzer testen. Der Egri Bikaver vom Weingut der Brüder Juhasz ist ein Cuvee, der neben den klassischen Rebsorten Cabernet Franc und Merlot auch die in Ungarn heimische Traube Kékfrankos beinhaltet. Tief rubinrote Farbe mit stark kirschigem Geruch. Im Geschmack dann allerdings herber und holziger als erwartet, mit Vanille-Aromen und Johannisbeere. Ein guter „Wegtrink“-Wein, der nichts mehr mit klebrigem Kater am Morgen danach zu tun hat!
Das Highlight des Abends war der 2007er Cabernet Sauvignon von Attila Gere, der wie Edi Tiffan zu den absoluten Spitzenwinzern Ungarns gehört. 16 Monate in französischen Eichenfässern gereift, hat er kräftige Cassis-, Johannisbeer- und Kaffeearomen. Auch Schokolade und Röstaromen konnten wir rausschmecken. Absolut ein Anwärter auf einen Lieblingswein. Ich bin schon auf der Suche nach Bezugsquellen in Deutschland oder muss unsere Freunde doch bald schon wieder in Urlaub schicken 🙂
Als Grundlage für die spannende Weinprobe gab es zu herzhaftem Brot, echt ungarischer Salami in diversen Fett- und Schärfegraden sowie salzigem Gebäck den wohl leckersten Brotaufstrich, den ich seit Ewigkeiten gegessen habe. Und jetzt bitte nachsprechen: Körözött.
Zutaten (Danke für das Rezept, Barb!):
500 gr Schichtkäse (oder trockener Schafsfrischkäse, ung. Juhtúro, den man hier aber wohl so gut wie nicht bekommt)
150 gr bulgarischen Schafskäse (zerkrümelt)
100 gr zimmerwarme Butter
halber Becher Sauerrahm (mit viel Säure – z.B. von Andechser Bio)
2-3 TL mildes Paprikapulver, Salz, Pfeffer, 1/2 TL Kümmel
Alles gut miteinander vermischen. Fertig ist die Basis, die dann mit Schnittlauch, Frühlingszwiebeln, kleine geschnittenen grünen Oliven sowie einer tüchtigen scharfen (!) Prise Paprikapulver variiert werden kann. Im Kühlschrank durchziehen lassen. Fertig ist die scharfe Variante des Liptauers. (Wer es weniger scharf mag, lässt einfach das scharfe Paprikapulver weg und beschränkt sich auf edelsüßes.)
Ich probiere für mein Leben gerne neue Geschmäcker und Aromen aus. Deshalb war die ungarische Weinprobe für mich wirklich ein Erlebnis und Horizont erweiternd. Es gibt so Vieles zu entdecken. Umso wichtiger, ausgetretene Pfade zu verlassen und sich links und rechts des Weges auf Neuentdeckungen einzulassen.
Was hat Euch zuletzt überrascht? Eine Weinregion, ein selbst gekochtes exotisches Gericht oder ein Restaurant, in dem Ihr noch nie gewesen seid?
Update: Und hier noch mehr Besprechungen ungarischer Weine vom DrinkTank http://drinktank.blogg.de/eintrag.php?id=3056
PS: Und hier der Lieblings-Python-Sketch von Barb und mir: The Hungarian Phrasebook 🙂
Nachtrag: Der Weinjournalist Mario Scheuermann hat mir gerade via Facebook den Online-Shop http://www.ungarisches-weinhaus.de/ von Csaba Szabo für den Einkauf ungarischer Top-Weine empfohlen. Dankeschön dafür!
Vielen Dank für den tollen Tipp. Auf Ungarn wäre ich nie gekommen. Bin zwar noch kein so Profi wie du, aber fang langsam an mich in das Thema „einzuarbeiten“.
Ach ja: amazon.de, um die Frage zu beantworten. 😉
Danke 🙂 Da gibt’s derzeit auch den besten Preis (für alle anderen: Wir reden von GPS-Laufuhren :)) Und wg. des Tipps: Gerne! Ich bin echt begeistert von den 4 Ungarn und werde mal die Augen offen halten demnächst. Mehr dann hier im Blog.
ooooh! Villány! Großartige Weine gibt es da und wunderschön isses – und so herrlich unaufgeregt und ungehypt. Ich hätte Barb beauftragen sollen… aber dann schau ich mal in dem Online-Shop 🙂
@Manu Da hab‘ ich mit Dir eine Expertin an der Hand und weiß von nix?? Schaun wir mal, was Csaba Szabo kann, ansonsten müssen wir Barbs Familie rekrutieren für den Import 😉
Expertin wär übertrieben 😉