Es gibt ja diese Menschen, die bei Erkältungen oder anderen Unpässlichkeiten in die Apotheke gehen und sagen: „Aber keine Chemie bitte!“. Als wären zu medizinischen Zwecken hergestellte Heilmittel, Vitamintabletten oder gar Globuli nicht auch in einem chemischen Prozess hergestellt. Wir bestehen fast vollständig aus Wasser (H2O) – was also ist per se schlecht an Chemie?
Im gleichen Maße wie „Chemie“ als schlecht gilt, ist „Natur“ erstmal gut. Im Weinkeller würde das aber doch bedeuten, dass Hefe, Schwefel und Eichenchips eigentlich gut sind – immerhin handelt es sich um ganz natürliche, also in der Natur vorkommende Stoffe.
Wer entscheidet also, wann welche Zutaten gut sind und wann böse? Und nach welchen Kriterien? Ist ein Wein aus biologisch angebauten und ohne Chemie (!) behandelten Trauben in dem Moment „schlecht“ geworden, in dem er im Keller plötzlich mal mit Schwefel in Berührung kam? Oder unterliegt der Weinausbau nicht auch einer Weiterentwicklung, modernen Strömungen und dem allgemeinen Fortschritt?
Das führt mich zu der nächsten Frage: Würde ein Winzer, der das harte Los des organischen Weinanbaus praktiziert, im Keller plötzlich herumpfuschen? Oder würde er vielmehr seinem philosophischen Ansatz folgen und auch im Keller möglichst rein und ohne Zusatzstoffe arbeiten?
Wer aber dem Boden ohne Zuhilfenahme von Pestiziden oder sonstigen Keulen Trauben abtrotzt, dabei immer von der Willkür des Wetters abhängt und dann vielleicht auch noch bei der Ernte den unbequemen Weg der Handlese geht, kann sich doch vielleicht gar nicht mehr erlauben, auch noch beim Ausbau des Weines alleine auf Handwerk, Erfahrung und gute Geister zu vertrauen.
Das sind nur einige der Fragen, die sich mir stellten, als ich vom Thema der aktuellen Weinrallye erfuhr. Leider habe ich nicht das große Glück, von März bis September in einem klapprigen Renault durch europäische Weingebiete zu tuckern und bei Jean, Hans oder Giacomo Halt zu machen, um ihnen beim Weinan- und -ausbau über die Schulter zu schauen. Stattdessen stehe ich wie wohl die meisten „normalen“ Konsumenten vor dem riesigen Angebot an Weinen und vielen verwirrenden Zertifikaten.
Ich merke wieder einmal, dass es nunmal anstrengender und zeitaufwendiger ist, sich um die Herkunft seiner Nahrungsmittel zu kümmern, als einfach nur ins Regal zu greifen. Nur wer sich informiert und beim Einkaufen nachdenkt, erhält die Chance, die für ihn oder sie richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich danke den Organisatoren der Weinrallye deshalb, dass sie meinen Horizont erweitert und meine Neugierde geweckt haben. Bei der Lektüre all der spannenden Blog-Posts, die heute online gingen, habe ich einige Weingüter entdeckt, die gar nicht weit weg und somit einen Besuch wert sind. Vielleicht kann ich dann auch mal über die ein oder andere Schulter gucken und mich selbst davon überzeugen, ob ein Wein „nur“ bio ist oder schon natur… Ich freu‘ mich drauf! (Besonders empfehlenswert ist übrigens der Beitrag von Hundertachtziggrad. P. J. Kühn, ich komme!)
Von tvino wurden mir zur Verkostung im Rahmen der Weinrallye #50 zwei Weine zur Verfügung gestellt.
Ob es sich bei den beiden Weinen im Sinne der Weinrallye #50 um „echten“ Naturwein handelt, kann ich nicht abschließend beantworten, da sowohl das Weingut Battenfeld-Spanier als auch der offizielle Vertreiber des Puro von Dieter Meier, Globalwine, meine Fragen diesbezüglich nicht beantwortet haben. (Merke: Eine chice Webseite alleine bedeutet noch lange keine gute Öffentlichkeitsarbeit beziehungsweise Kundenbetreuung. Aber das ist eine andere Geschichte und muss auf ein andermal verschoben werden…)
Auch wenn ich derzeit nicht mehr Infos habe als die, die sich ohnehin auf den Webseiten der Anbieter finden, will ich Euch die Verkostungsnotizen nicht vorenthalten. Bei aller Dogmatik geht’s ja nämlich auch immer noch um den Geschmack, gell? 🙂
Battenfeld-Spanier Weißburgunder 2010:
Der Rheinhesse ist sehr hell im Glas, fast durchsichtig. Er verströmt einen Duft nach geschälten Mandarinen und Zitronen.
Im Geschmack konnten wir Mandel- und Birnenaromen ausmachen. Die dezente Säure und seine herausragende Spritzigkeit machen ihn zum perfekten Begleiter (gut gekühlt!) zum Spargel.
Der Battenfeld-Spanier hat uns absolut begeistert und wird sicher noch einmal ins Haus geholt. Auch das Preis-/Leistungsverhältnis (8,50 EUR/Flasche) ist mehr als fair.
Zum Thema Weinherstellung liest sich das auf der Webseite übrigens so: „Der geringstmögliche Eingriff in die Selbstverwirklichung des Weins ist unser Ziel. Mehr als Zeit, Ruhe und Luft benötigt der Wein nicht, um zu sich selbst zu kommen. Daher verzichten wir auf Zuchthefen, Temperaturkontrolle und sterile Filtration.“
PURO Dieter Meier Malbec/Cabernet Sauvignon 2009:
Promi-Weine sind ja immer so eine Sache. Leidenschaft und das nötige finanzielle Rüstzeug alleine reichen halt leider nicht aus, um tolle Tropfen in die Flasche zu bekommen.
Uns hat der gehypte PURO – vielleicht auch gerade wegen des Hypes – stark enttäuscht. Aber wenn selbst in den Kurzkritiken namhafter Weintester in erster Linie das stylishe Etikett hervorgehoben wird, sollte man vorgewarnt sein.
Der Wein schmeckte nach Stahltank. Flach, langweilig und ohne Rafinesse. Wir haben ihn immer mal wieder probiert, um ihm eine neue Chance zu geben. Aber auch nach mehreren Stunden, ein, zwei und drei Tagen wurde er zwar etwas runder, weniger metallisch, aber nie wirklich interessant.
Wir würden ihn uns höchsten noch einmal kaufen, um die Sicherheit zu haben, dass nicht wir irgendwie komisch drauf sind. Für 8,90 EUR gibt es weniger prominente aber deutlich bessere Weine. Schade eigentlich.
Der Vollständigkeit halber: Dieter Meiers Weine sind zertifizierte Bioweine mit deutschem Bio-Siegel und argentinischem Label. Auf der Webseite liest sich das so: „Dank dem sehr trockenen Klima haben wir in Mendoza keine Probleme mit der Feuchtigkeit im Herbst und dem dadurch verursachten Pilzbefall. Das Verbot, Fungizide einzusetzten, zwingt Bio-Winzer auf der ganzen Welt das Traubengut vorzeitig und deshalb mit nicht voll entwickelten Aromen zu ernten. In Mendoza existiert dieses Problem nicht.“ Gleichzeitig steht dort aber auch: „So erhalten wir regelmässig ein hochwertiges Traubengut, das wir in einer Kellerei, die nach dem letzten Stand der Oenologie ausgerüstet ist, keltern.“ Was soll das nun wieder heißen? Und: Will man das so genau wissen?
Mein Entschluss steht fest: Wir haben ja nicht umsonst einen Kombi 🙂 Ich mache mich auf den Weg durch Rheingau, Rheinhessen und Pfalz, was glücklicherweise alles vor der Haustür liegt, und suche mir da einen Wein, den ich mir auch angucken kann. Welch ein Luxus!
Vielen Dank an Iris für dieses spannende Wein-Thema.
Ich sehe schon, Dir gingen die gleichen Gedanken durch den Kopf wie mir. Und dann kann Kühn, wenn ich Dein Post lese, noch einmal punkten. Meine Anfrage, ob ich Bilder von der Webseite benutzen darf, wurde in nicht mal einer Stunde beantwortet, natürlich (sic!) positiv.
susa
Also die Susa hat ja so Ihre Etiketten- Theorie, die bereits ziemlich ausgereift ist.
Meine Texttheorie ist zwar leider bei weitem nicht so effizient, aber hier hätte sie funktioniert. Wenn ich einen derartig platten „Klappentext“ lese, wie den hier zitierten, dann sinkt meine Neugier gerne ins nicht wahrnehmbare.
@Susa Das ist wirklich rundherum positiv. Da muss ich hin!
@Gottfried Stimmt. Ich war vorgewarnt. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass gerade solche Unternehmen professioneller mit Anfragen umgehen. Aber das ist wahrscheinlich recht naiv…