Monatsrückblick September

Wie soll man einen Monat zusammenfassen, der Dich mit Mozart begrüßt, mit Sonne und Altweibersommereuphorie verwöhnt, und Dir im selben spätsommerlichen Atemzug Deine liebe Großmutter nimmt, den bEdW wochenlang aufs Krankenlager streckt und Dir den lang ersehnten, bitter benötigten Toskana-Urlaub streicht? Eigentlich liebe ich den September mit seinen violetten Pflaumen, blauen Himmeln und rostbraunen Kastanien. Endlich werden die Temperaturen erträglicher, die Ernte lässt es noch mal ordentlich auf dem Wochenmarkt krachen und die ersten kühlen Abende rufen nach Rotwein und einem guten Buch. Ja, eigentlich…

Aber diesen September war halt alles ein bisschen anders. Und deshalb fällt mir natürlich auch der Rückblick nicht so leicht wie sonst. Denn dass wir unsere 95-jährige Oma gehen lassen mussten, war schmerzhaft. An einem der heißesten Tage des Monats saß ich an ihrem Bett und habe ihre Hand gehalten – wie sie auch meine so oft gehalten hat, wenn ich als Kind krank im Bett lag. Das tat sie, ohne je ungeduldig zu werden oder auf die Uhr zu schauen. Jeder Wunsch nach Eis (bei Halsentzündung), einem vorsichtig zu mümmelndem Zwieback (nach Magen-Darm), nach kühlem Waschlappen (bei Fieber), nach einer und noch einer Geschichte wurde erfüllt. Und immer hieß es „Ei, mei Schätzi, geht’s Dir e bissi besser?“. Dass es ihr nicht mehr besser gehen würde, wussten wir natürlich. Aber trotzdem wollte ich sie nicht alleine lassen an diesem letzten Tag, an dem draußen die Sonne brannte, der heiße Wind in die gelben Vorhänge blies und draußen die Kinder spielten. Viel wäre zu sagen über unser Gesundheitssystem, aufopferungsvolle Pflegekräfte, arrogante Ärzte und eine falsch verstandene Moral, die es auch einem so langen Leben nicht ermöglicht, sich selbst das Ende zu bestimmen.

Aber lieber erinnere ich mich daran, wie viel wir mit unserer süßen, winzig kleinen Oma gelacht haben. Einen kleinen Einblick habe ich Euch ja mal in meiner Story zum Rhabarberkuchen gegeben. Und der Zwetschgenkuchen ist natürlich auch nur richtig nach ihrem Rezept – und trotzdem nie so gut wie aus ihrem Ofen. Aber als Erinnerung und weil die septemberreifen Pflaumen mich so anlachten, habe ich einen Oma-Marga-Gedächtnis-Zwetschgenkuchen gebacken. Und während meiner Flucherei über Teig, Streusel und den blöden Ofen, und während ich mit salzigen Tränen den süßen Kuchen heruntergeschluckt habe, hatte ich immer ihr Lachen im Ohr: „Ei, Schätzi, was machste dann!!“.

Ja, was machen wir nur ohne sie? Aber wenn es stimmt, dass Menschen, an die wir uns voller Liebe und Zuneigung erinnern, immer noch bei uns sind, dann wird sie das auch noch viele Jahre bleiben. Ich hatte die beste Großmutter, die man sich wünschen kann. Und wie sehr gönne ich ihr nach einem langen Leben ihre wohlverdiente Ruhe.

Mach’s gut, kleine Oma. Kein Zwetschgenkuchen wird je so schmecken wie der, den wir in Deiner Küche lauwarm vom Blech („Kelle, der muss doch noch abkühle, sonst kriegste Bauchweh!“) gegessen haben. Mit viel Sahne und starkem Kaffee – aufgebrüht mit Prozellanfilter und Filtertüte und getrunken aus Tassen mit Streublümchen. Wie schön, dass wir Dich so lange bei uns haben durften.

Margarethe 1923-2018

 

 

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  1. Das sind schöne Erinnerungen an deine Oma, die sich so ähnlich wie meine anhören und mir das Herz erwärmen. In euren Herzen wird sie auch ein Weilchen weiter leben!
    Vor drei Jahren als mein Opa gestorben ist, hat meine Oma auch Pflaumenkuchen gebacken. Die ganze Familie kam zusammen um sich zu verabschieden. Das Haus war warm, herzlich und vom Duft des Pflaumenkuchens erfüllt. Nie werde ich das vergessen und du hast Recht – nie wird mein Kuchen so schmecken wie ihrer!

    Alles Liebe für dich und deine Familie

  2. Erinnert mich sehr an meine Oma Anni, bei der es im Flur immer nach 4711 gerochen hat, und deren Wohnung man nie ohne ein Balisto verlassen durfte. Als Kind konnte ich manchmal kein Spritzgebäck mehr sehen, heute würde ich gefühlte Millionen für nur einmal noch ein einziges Stück geben.
    Aber zum Glück lebt sie weiter – meine Tochter hat ihren Namen und hoffentlich auch ihr Gemüt geerbt 🙂

    1. Julia Author says:

      Oh, 4711 ist auch so ein Geruch! Ich erinnere mich an sonnenwarme, saftig-süße Himbeeren, die sie mir immer vom Strauch hinterm Schuppen gepflückt hat. Ich wünschte, ich könnte noch einmal diese schönen Früchte aus den Händen meiner Oma essen… Wie schön, dass Deine Tochter ihren Namen hat. Das ist eine wundervolle Idee.

  3. ♥ Fühl dich geherzt, liebe Julia

    Meine Oma ist nun fast 20 Jahre nicht mehr physisch bei uns (zu jung verstorben) und doch jeden Tag bei uns. Mit jedem Kuchen, den ich backe, mit jedem Essen, das ich koche. Bei uns war es Streuselkuchen aller Art, von denen ich, während sie kühlten, die Streusel runternaschte ^_^ Deine Erinnerung brachte die meine wieder und nun sitze ich hier mit Tränen in den Augen und einem Lächeln über den Lippen…. und überlege, ob ich uns einen Streuselkuchen backe 🙂

    Liebe Grüße, Franzi

    1. Julia Author says:

      Ach, Du Liebe. Ganz herzlichen Dank für Deine Nachricht. Ich hab ja auch einen Streuselkuchen gebacken und hab mich ihr so nahe gefühlt. Das war schön – und traurig. Wenn ich jetzt noch lerne, ihren Hefezopf mit Mohn zu backen, habe ich die nächste Stufe erreicht!! Fühl‘ Dich gedrückt! Und: Auf die Omas!!

  4. Liebe Julia, mir geht es ebenso wie Franzi es beschrieben hat. Nur denke ich dabei neben meiner Großmuter auch an meine Mutter die vor vier Jahren, viel zu früh, gegangen ist. Bei jedem „klassischen“ Gericht welches ich koche, mag es ein Hühnerfrikassee sein (ach Mama´s Frikassee…), ein Gulasch, gefüllte Paprikaschoten, ein Streusel- oder Pflaumenkuchen, immer sind Mama Elfriede und Oma Else dabei. Ein richtiger Girls Scout :). Ein Jugendbild meiner Mama steht neben meinem Herd, so ist sie immer dabei. Ein sehr tröstliches Gefühl,ebenso schön wie in ihrem Garten zu sein wo ich sie in jedem Busch und jedem Baum sehen kann….
    Ich wünsche Dir viele schöne Erinnerungen und tröstliche Gedanken – auf unsere Omas und unsere Mütter, darauf ein Stück Pfaumenkuchen! Alles Liebe und gute Besserung für den bEdW, Stef

    1. Julia Author says:

      Ganz lieben Dank, liebe Stef, dass Du Deine Erinnerungen mit mir teilst. Und danke für die Genesungswünsche an den bEdW, der diese gut gebrauchen kann! Ich freue mich sehr, dass wir alle unsere Mütter und Großmütter so ins Herz schließen (gilt natürlich auch für Väter und Großväter!). Fühl‘ Dich gedrückt.

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