Steckrübeneintopf. Eine Rehabilitierung.

Einst das letzte Gemüse in Hungerwintern und Kriegszeiten feiert die Steckrübe in einem deftigen Eintopf mit Kartoffeln, Möhren und Würstchen ein knalliges Comeback!

Kennt Ihr auch noch alte Menschen, die in Erinnerung an Kriegszeiten Dinge sagen wie: „Ich will nie wieder in meinem Leben Steckrüben essen!“? Sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg und erst recht in den Hungerwintern der Nachkriegszeit musste die Bevölkerung mehr Steckrüben verknusen als ihnen lieb sein konnte. Kein Wunder, dass das etwas unspektakuläre Gemüse lange in Vergessenheit geriet und im Wohlstands-Deutschland nicht auf den Tisch kam. Ich habe als Kind jedenfalls nie Steckrüben gegessen. Wirsing, Sauerkraut, Möhren, Kohlrabi – ja, klar. Aber Steckrüben? Never ever!

Dabei war sogar in Notzeiten die Steckrübe verhasst. Der entsprechende Wikipedia-Artikel sagt: „Da Steckrüben in der Bevölkerung trotz der schlechten Ernährungslage unbeliebt waren, hatte die Reichskartoffelstelle am Ende des Winters 1917 noch etwa 80 Millionen Zentner Steckrüben übrig, die nicht verteilt worden waren. Sie wurden zu Dörrgemüse und Rübenmehl weiterverarbeitet. Dieses Mehl wurde dann mit Kartoffelmehl und mit Maggi-Suppenwürfeln gemischt und als „Vollkost“ in den Handel gebracht, wobei jede Familie eine gewisse Menge abnehmen musste, um andere Lebensmittel kaufen zu können.“

Die Bevölkerung wurde also erpresst! „Esst die Steckrübenbrühwürfel, sonst gibt’s keine anderen Lebensmittel!“ Alter… Was geht’s uns heute gut, oder?

Ich gehe stattdessen auf den Wochenmarkt, habe die volle Auswahl aus derzeit aktuellem Saisongemüse und entscheide mich bewusst für eine Steckrübe!

Saisonales Gemüse Steckrübe Foodblog German Abendbrot Eintopf

Besonders reichhaltig beliefert uns die Steckrübe mit Kohlehydraten und Vitamin C. Beides gute Gründe, um in Notzeiten auf sie zurückzugreifen – oder im Winter einen wärmenden Eintopf zu machen. Das Gemüse hat keinen intensiven Eigengeschmack und nimmt gerne das an, was zu ihr in den Topf kommt. Auch das machte sie zur häufig verwendeten aber weiterhin ungeliebten Zutat. Ob Kuchen, Apfelmus oder Kaffeeersatz: Die Steckrübe lässt sich fast überall untermischen.

In meinem Eintopf ist sie allerdings der Star und wird gefeiert. Für meinen Eintopf bin ich bei der großartigen Mel von Gourmet Guerilla hängen geblieben. Abgewandelt und auf meine Art gekocht hatte ich schwuppdiwupp einen herzhaften Eintopf, der sich prima einfrieren und aufwärmen lässt. Denn die Tage werden ja erstmal kälter…

Zutaten für 4 Personen (oder für 2 und ausreichend Reste zum Einfrieren):

1 Steckrübe (eine große wiegt 1-1,5kg)

2 mittelgroße Karotten

4 mittelgroße, festkochende Kartoffeln

1/2 Lauch (nur der weiße Teil)

2 Lorbeerblätter

6 Pfefferkörner

2 weiße Zwiebeln

1l Gemüsebrühe (am besten hausgemacht)

Salz

weißer Pfeffer

Prise Muskat

1 gehäufter TL geräuchertes Paprikapulver

1 Spritzer Essig (z.B. Weißwein- oder Wein-Branntwein-Essig)

Petersilie zum Garnieren

Pro Portion 1-2 EL Naturjoghurt zum Servieren

Einlage je nach Vorliebe: 2 harte Rindswürstchen oder 2 Frankfurter oder Mettenden oder ein Stück Schweinebauch oder…

Zubehör: Großer Topf, Pürierstab, kleiner Topf oder Schüssel

Zubereitungszeit: 1,5 Stunden oder mehr

So geht’s:

Gemüse schälen und in mundgerechte Brocken schneiden. Lauch und Zwiebeln kannst Du feiner schneiden. Sie zerkochen aber auch.

Alles inkl. Lorbeerblättern und Pfefferkörnern in einen großen Topf geben. Mit der Gemüsebrühe aufgießen und zum Kochen bringen. Bei leisem Köcheln etwa 1 Stunde garen (Die Steckrüben brauchen ihre Zeit, bis sie gar sind. Du kannst zwischendrin aber auch immer mal testen)

Falls Du Fleisch mitgaren oder erhitzen willst, musst Du es rechtzeitig in den Eintopf geben. Kleine, dünne Dauerwürste wie ich sie hatte, brauchen etwa 20 min bis sie heiß sind.

Wenn das Gemüse gar ist, nimmst Du mit einer Kelle einige Gemüsestücke und etwa Brühe in einen kleinen Topf oder eine Schüssel und pürierst es kurz. (Achtung: Lorbeerblätter oder Fleisch bitte nicht mitpürieren!) Die sämige Suppe gibst Du wieder zurück in den großen Topf. Das bindet ein bisschen und macht den Eintopf „mulmiger“.

Jetzt mit Salz, Pfeffer, Muskat, Paprika und Essig abschmecken.

Fleisch klein schneiden und zurück in den Topf geben.

Den Eintopf in tiefen Schalen mit gehackter Petersilie und einem Klecks Joghurt anrichten und heiß servieren.

Wer mag, isst dazu einen dicken Kanten Sauerteigbrot. Aber der Eintopf sättigt auch so!

Steckrübeneintopf Foodblog German Abendbrot

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  1. Sehr interessant geschrieben, da sieht man wieder, wie gut es uns geht und trotzdem sind wir die Weltmeister im Jammern 😉
    Steckrüben habe ich tatsächlich noch nie gegessen, Pastinaken und Topinambur ja.
    Dieses Revival alter Gemüsesorten finde ich super und die Steckrüben werde ich sicher auch bald probieren. Danke für das Rezept.
    LG Diana

    1. Herzlichen Dank. Ich finde es auch spannend, wie Lebensmittel in Vergessenheit geraten oder plötzlich wieder „in“ werden (Grünkohl = Kale). Mein liebstes „Superfood“ ist und bleibt aber die Kartoffel!! Viel Spaß beim Nachkochen & liebe Grüße. Julia

      1. Ohh ja die Kartoffel mag ich auch sehr gerne, die ist einfach so variabel zuzubereiten. Bei Topinambur ist das ähnlich, sehr lecker und sehr variabel. Grünkohl mochte ich noch nie so wirklich, das ändert sich auch nicht, nur weil er jetzt als Superfood gilt 😛
        LG Diana

  2. brittak65 says:

    Ich bin Jahrgang 1965, meine Mutter 1938, Opa 1908 und Oma 1914 und bei uns gab es in meiner Kindheit und Jugend im Herbst/Winter IMMER Steckrüben! 😉

    Liebe Grüße und guten Appetit,

    Britta

    1. Na, dann haben die sich scheinbar nicht daran „sattgegessen“. Ein leider wirklich unterschätztes Gemüse!

  3. Steckrüben heißen auf Englisch ‚Turnips‘ und sind in der dortigen Küche (sogar in vielen Michelin besternten Restaurants) ein viel verwendetes Gemüse, so ganz ohne Nachkriegszeittrauma. In Norddeutschland, seit 10 Jahren meine Wahlheimat, ist man da etwas schmerzfreier – Steckrüben gibt es hier das ganze Jahr über und überall.
    LG
    Tommy

    1. Ist Turnip nicht der Kohlrabi bzw. das Stielmus? Meine Schwester, die seit vielen Jahren in Birmingham lebt, hatte anfangs allerdings große Schwierigkeiten unverarbeiteten Kohlrabi zu bekommen. Das scheint sich mittlerweile auch zu ändern…
      Aber hauptsache, das häufig gescholtene Gemüse kommt wieder auf den Teller. Ich mag es einfach gerne und werde es jetzt im Winter sicher öfter in den Speiseplan aufnehmen!

      1. Nein – Kohlrabi ist auch in England ‚Kohlrabi‘ 🙂 Turnip ist unsere gute alte Steckrübe. Ich hab 10 Jahre in GB gelebt und auch dort war ich zu hause für die Küche zuständig 😉

        1. ah, interessant. danke für die info. ich hab mich da leider zu sehr aufs wörterbuch verlassen 🙂

  4. Ich finde es sehr interessant, wie hier die Gemüsevorlieben auseinandergehen.

    Mir geht´s so: Steckrüben finde ich lecker. Pastinaken und Grünkohl esse ich nur, wenn man sie mir vorsetzt, um Koch oder Köchin nicht zu kränken. Glücklicherweise findet man auf den Märkten immer öfter Schwarzkohl. Den liebe ich.

    Das Eintopf-Rezept klingt interessant, Julia. Werde ich bald mal ausprobieren. Bisher koche ich meinen Steckrübeneintopf vegetarisch, abgeschmeckt mit Senf und Sauerrahm. Das ist auch sehr fein!

    Meiner Mutter (Jahrgang 36) wird schon übel, wenn sie das Wort nur hört. Steckrüben. Bäh!

    1. Ja, das hat mich auch fasziniert. Steckrüben sind scheinbar ein sehr emotionales Thema. Danke für Dein Feedback. Senf und Sauerrahm passen sicher auch sehr gut zur Steckrübe!

  5. 🙂 Bei meiner Oma (Jahrgang 1924) gab’s niemals nicht Steckrüben, eher hätte die imho trocken Brot gegessen. Mich hat man mit Kohl und Bohnen gross bekommen. 🙂

    Ich habe einmal Steckrüben ausprobiert, als ich sie auf dem Wochenmarkt sah und sie dürfen mit weiterhin gestohlen bleiben.

    1. Jeder hat, glaube ich, so seine ganz persönliche Aversion. Bei mir geht leider Rosenkohl ÜBERHAUPT nicht. Ich probiere ihn immer wieder, werde aber nie sein Freund. Dann lieber sämtliche Wurzelgemüse dieser Welt! Und Wirsing sowie andere Kohlsorten LIEBE ich. Vielleicht liegt das an der hessischen Affinität zu Sauerkraut…

  6. ich mag Steckrüben sehr gerne, da sie geschmacklich an Kohlrabi erinnern und den liebe ich ja geradezu 🙂
    Im Blog habe ich ein Rezept für Steckrübe sous vide, damit kitzelt man ihnen jede Menge Geschmack aus dem runden Leib. Oder als Stampf zur Ochsenbacke – auch sehr zu empfehlen 🙂

    1. Ich bin mittlerweile auch ein großer Kohlrabi-Fan. Hätte mir man das mal prophezeit als Teenager… Ein Stampf mit ordentlich Butter ist sowieso immer eine gute Idee. Die Ochsenbacke nehme ich auch dazu!

  7. Das schlechte Image der Steckrübe ist wirklich schade, weil sie mit ihrem süßlichen Geschmack wirklich fein munden kann. Eines meiner Lieblingssteckrüben-Rezepte ist übrigens gratinierte Steckrübe mit Zitronenthymian – zufinden auf http://www.mycookerylog.com :-). LG! Carmen

    1. Das klingt sehr fein. Ich hätte mich über einen Link zum Rezept deutlich mehr gefreut als zu dem auf Deine Website 😉

  8. Wir lieben sie – als Eintopf aber auch als Gemüse. Immer mit Kümmel und mit reichlich Petersilie (nicht nur zum Garnieren). Kam bei uns immer auf den Tisch, obwohl meine Eltern beide „Kriegskinder“ sind.

    1. Ich find das so spannend, was Ihr von der „älteren Generation“ erzählt! Danke für Deinen Kommentar! Petersilienwurzel oder das Kraut?

    2. Ich meine das Grün der krausen Petersilie.

      Und was die Erfahrung der Kriegsgeneration angeht – es gab keine Fleischbrühe, keine Wurst an der Suppe, auch keine Gewürze mehr, nur noch Salz und vielleicht (!) Kartoffeln… jeden Tag… Monate lang, jeden Tag (immerhin gab es überhaupt etwas). In meiner Familie wurde viel aus dieser Zeit erzählt. Kann man schon verstehen, dass viele das nie, nie wieder auf ihrem Teller sehen wollten. Selbst auf den Vorschlag „es gibt Kohlrabisuppe“ (heutzutage echt lecker!) reagierten meine Schwiegerleute mal komisch. Ich (als Blogger-Oma) selbst kenne ja nur frische Kohlrabi, aber damals gab es Lagerkohlrabi (eingelagert in der Erdmiete) und die sehen gekocht nicht gerade toll aus (sie werden dann so rötlich und schmecken muffig)…

  9. Ich mag das auch sehr gerne. Aber mein Vater ( Jahrgang 29) hat es gegruselt. LG Cornelia

    1. Ja, ich kenne das auch so, dass viele ältere Leute ausreichend Steckrüben in ihrem Leben essen mussten und den Kanal voll haben. Aber das scheint sehr individuell zu sein, wie die Kommentare hier nahe legen. Wirklich interessant, wie unsere unterschiedlichen Erfahrungen sind…

  10. Auch wenn das Rezept schon seit fünf Jahren hier steht, trotzdem ein Kommentar:

    Für die Abneigung vieler Leute aus der Kriegsgeneration gibt es mehrere Gründe.

    1. Es gibt zwei Sorten Steckrüben, die „Gemüsesteckrübe“ (gelbliches Fleisch, nicht ganz so groß) und die Futterrübe (das ist die große, helle Variante). Die Futterrübe ist viel ertragreicher, schmeckt aber, da für das Verfüttern an Kühe und Schweine gezüchtet, für den Menschen ziemlich scheußlich. Und genau die wurde laut Auskunft meiner Großeltern (Jahrgänge 1903 bzw. 1908) sowohl 1917 als auch nach dem 2. Weltkrieg als „Gemüse“ verwertet.

    2. Steckrüben schmecken nach meiner Erfahrung nur dann gut, wenn sie mit Fett (egal ob Öl, Butter oder Speck/fettem Fleisch) zubereitet werden, denn dann verschwindet der bittere Beigeschmack. Aber das war damals natürlich auch Mangelware.

    Was die Steckrübe heute – und alle Kohlsorten – angeht: Durch Düngung leidet der Geschmack. Das kann man testen. Einfach mal auf dem Wochenmarkt „konventionell“ und biologisch angebaute Rüben/Kohlköpfe/Kohlrabi/Rosenkohl usw. kaufen, genau gleich zubereiten und probieren. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Noch besser natürlich aus dem eigenen Garten.

    Übrigens: Das einfachste Steckrübenrezept, das ich kenne, stammt von meiner Großmutter, die Kind im 1. Weltkrieg war, (aber der Vater war Schlachtermeister, und darum wurde mit den Bauern aus der Umgebung eifrig gekungelt):
    Übriggebliebene Gemüsebrühe, noch besser Fleischbrühe aufkochen, gut geschälte, in Würfel geschnittene Steckrüben (alles Holzige entfernen!) rein, so viele, daß sie knapp bedeckt sind. Langsam weichköcheln lassen, aber nicht so lange, daß sie zerfallen (evtl. mit einer Speckschwarte oder einem Stück durchwachsenem Speck). Dann sehr reichlich Petersilie drüberstreuen, in tiefe Teller füllen und ein Stück kalte Butter reingeben, die dann beim Essen schmilzt (bzw. den durchwachsenen Speck kleinschnippeln, dann die Butter weglassen). Schmeckt köstlich. Mein Großvater hat sich allerdings zeitlebens geweigert, das zu essen.

    1. Julia Author says:

      Vielen Dank für Deine Einblicke. Das ist sehr interessant. Mit Butter oder Speck ist natürlich vieles erträglicher. Aber wie du sagst: Das war in Kriegszeiten natürlich Mangelware. Und alles, was man essen MUSS oder zu häufig isst, wird einem über. So mag mein Vater keine Graupen mehr essen. Und ich empfinde es als großes Privileg, dass meine Generation diese Mangelwirtschaft nicht (mehr) kennt. Ganz liebe Grüße und vielen Dank für Deine Anmerkungen!

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