Jeden Tag ein Buch: „Stich ins Wespennest“ von D. E. Stevenson

Oh Britannien, von Deiner Freiheit einen Hut voll…“ Der Titel einer Sammlung von Reiseberichten aus dem 18. Jahrhundert bringt es auf den Punkt: Die Beziehung der Deutschen zur Insel war schon immer eine besondere. Nicht nur, dass das englische Königshaus stets mit deutschem Adel eng verbandelt war. Gerade die Romantiker hatten ein großes Faible für Shakespeare, englische Gärten und ein Staatssystem, in dem ausreichend Platz für adeligen Pomp ebenso war wie für Demokratie und ein absolut narrenfreies Pressewesen. Später waren es dann die Beatels, die Stones und – nicht zu vergessen! – The Who, Mini-Röcke und die Carneby Street, die uns neidisch machten…

Auch heute noch schielen wir ein bisschen neidisch nach England und beneiden die Briten um ihren Humor, ihre schamlose Yellow Press, die jährlich stattfindende und oft kopierte „Last Night of the Proms“, um Scones, Lemon Curd und Clotted Cream. Lediglich das Wetter und das Bier können sie behalten! Mittlerweile gibt es sogar zahlreiche Köche, die den Ruf der englischen Küche gerettet haben: Jamie Oliver, Nigella Lawson, Sophie Dahl – und mein all-time-hero Heston Blumenthal.

Für mich als Literaturwissenschaftler ist aber auch und gerade die englische Literatur eine großartige und unerschöpfliche Fundgrube. Ob „sophisticated“ Lord Peter Wimsey-Krimis, die herzergreifenden Romane Dickens‘, die surreale „Alice im Wunderland„, ätzend-komische Kinderbücher von Roald Dahl oder die unsterblichen Werke Shakespeares: Wie kann eine so kleine Insel solch eine Fülle an guten Büchern hervorbringen? Und da haben wir über Austen, Wilde, Tolkien oder Christie noch gar nicht gesprochen!

Für mich gibt es wenig Schöneres, als es mir mit einem guten Buch, viel Zeit und einem Glas Wein einer Tasse Tee gemütlich zu machen. Dann versinke ich in einer anderen Zeit und einem anderen Raum und kann wirklich alles um mich herum vergessen.

Spätestens hier muss ich jetzt Oscar Wilde doch noch bemühen:

So etwas wie moralische oder unmoralische Bücher gibt es nicht. Bücher sind gut oder schlecht geschrieben. Weiter nichts.“

Und richtig gut, dabei schon 80 Jahre alt, ist dieses bezaubernde Werk:

wespennest

D. E. Stevenson: „Stich ins Wespennest“ (orig.: „Miss Buncle’s Book“ / Deutsch von Thomas Stegers, Goldmann Verlag, 8,99€)

Dorothy Emily Stevenson war eine Cousine von Robert Louis Stevenson. (Na, klingelt es? Genau, jener Autor der „Schatzinsel“, die ich letztes Jahr als Genussbuch für jeden Käseliebhaber vorgestellt habe!)

und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im englischsprachigen Raum sehr beliebt. Während die Bücher hier kaum bekannt waren, wurden sie in England und den USA immer wieder neu aufgelegt.

Insgesamt verfasste sie bis 1969 40 höchst erfolgreiche Bücher. Und wie es sich für eine exzentrische Lady aus der Upper Class gehört, ließ sie diesen Ruhm keinesfalls heraushängen, sondern spielte lieber Golf oder hielt Teegesellschaften ab. Sie führte also EXAKT das Leben, das wir von einer englischen Dame der besseren Gesellschaft erwarten, führte sie nicht?

Worum geht’s? Der „Stich ins Wespennest“ spielt im fiktiven Dörfchen Silverstream in den 30er Jahren. Miss Barbara Buncle, die in einem rosenumrankten Cottage lebt, morgens im Bett frühstückt und ununterbrochen Tee trinkt, muss ihr Einkommen aufbessern. Deshalb beschließt sie ein Buch zu schreiben. Und weil ihr dazu eigentlich die Phantasie fehlt, schreibt sie einfach über all die Vorgänge, Liebeleien, Skandälchen und Missgünstigkeiten in ihrem Dorf – und zwar unter Pseudonym. Dummerweise wird der Roman ein Erfolg und halb Silverstream kapiert schnell, dass sie die Protagonisten des Buches sind. Bald stellt sich die Frage: Wer ist dieser John Smith? Und wie kann er sich erdreisten, auch noch einen Nachfolgeband zu veröffentlichen?

Was wie eine ziemlich dünne Geschichte klingt, ist dermaßen witzig und liebenswert geschrieben, so aktuell und charmant, dass man sich kaum vorstellen kann, dass das Buch 80 Jahre alt ist!

Wer ein Faible hat für Gurkensandwiches, 5-o’clock-Tea, ofenwarme Scones, Orangenmarmelade und ausgeleierte Strickjacken, der kommt an D. E. Stevenson nicht vorbei. Eine Wiederentdeckung, ein Hochgenuss, ein Genussbuch – und deshalb mein 3. Beitrag für Jeden Tag ein Buch!

jteb

 

So etwas wie moralische oder unmoralische Bücher gibt es nicht. Bücher sind gut oder schlecht geschrieben. Weiter nichts. – See more at: http://www.zitatmuseum.de/oscar-wilde/oscar-wilde-ueber-moralische-und-unmoralische-gute-und-schlechte-buech#sthash.dZwo6gWc.dpuf
So etwas wie moralische oder unmoralische Bücher gibt es nicht. Bücher sind gut oder schlecht geschrieben. Weiter nichts. – See more at: http://www.zitatmuseum.de/oscar-wilde/oscar-wilde-ueber-moralische-und-unmoralische-gute-und-schlechte-buech#sthash.dZwo6gWc.dpuf
So etwas wie moralische oder unmoralische Bücher gibt es nicht. Bücher sind gut oder schlecht geschrieben. Weiter nichts. – See more at: http://www.zitatmuseum.de/oscar-wilde/oscar-wilde-ueber-moralische-und-unmoralische-gute-und-schlechte-buech#sthash.dZwo6gWc.dpuf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Close
© Copyright germanabendbrot.de
Impressum - Datenschutz
Close