Jeden Tag ein Buch: Die Schatzinsel

Um Genussbücher soll es in dieser Themenwoche „Jeden Tag ein Buch“ wieder gehen. Aber wann ist ein Buch ein Genussbuch? Gilt das nur für Kochbücher? Muss es, wie etwa in „Babettes Fest“, vorrangig um Essen gehen? Sollte das Lesen an sich ein Genuss sein? Der Interpretationsspielraum ist groß bei dieser Bücherwoche, weshalb so viele herrliche Tips zusammenkommen.

Ich bin diesmal statt mit vier zwar nur mit einem Beitrag (vielleicht einem kurzfristigen zweiten) dabei. Dafür stelle ich Euch aber mein allerliebstes Genussbuch vor:

Robert L. Stevensons „Die Schatzinsel“ (z.B. bei diogenes für 9,90€)

Mein Exemplar ist übrigens ein uraltes, abgeschubbertes Mängelexemplar aus den späten Siebzigern mit einem Cover vom wunderbaren Tomi Ungerer:

Freundlicherweise hat mir der Verlag aber auch das neue Cover zur Verfügung gestellt. So findet Ihr das Buch also im Buchhandel:

diogenes

Warum ausgerechnet „Die Schatzinsel“ (m)ein Genussbuch ist? Weil sie alles, aber auch wirklich ALLES hat, was ein gutes Buch ausmacht:

Fiese Piraten mit Dreieckshüten und gestreiften Hemden

Sprechende Papageien („Dublonen, Dublonen!“)

Einen gerissen-charmanten Schiffskoch mit Holzbein (Long John Silver!)

Einen riesigen Schatz (des verstorbenen Captain Flints Schatz)

Eine Schatzkarte, auf der ein Kreuz die Fundstelle markiert

Schießerei und Pulverdampf

Ein majestätisches Segelschiff (die Hispaniola)

Einen heldenhaften Schiffsjungen (Jim Hawkins)

Eine Seemannskneipe (den „Admiral Benbow“) und Hafenspelunken

Einen Piraten-Schlager („15 Mann auf des Totenmanns Kiste, jo-ho-ho, und ’ne Buddel voll Rum!“)

Einen gutmütigen aber dummen Gutsherren (Squire Trelawny), der zwar die Schiffsfahrt finanziert, dessen loses Mundwerk aber auch dafür sorgt, dass die Galgenstricke aus Captain Flints Mannschaft an Bord der Hispanola sind

Ein Happy-End und…

KEINE Knutschereien mit irgendwelchen Weibern! Die haben in Piratenbüchern nämlich nix zu suchen! (Einzige Frau im Buch ist Jim Hawkins‘ Mutter und die knutscht glücklicherweise nicht rum!)

Sagt doch mal, das ist doch das perfekte Buch, oder?

Falls Ihr die Schatzinsel noch nicht kennt, fällt Euch vielleicht bei der Aufzählung etwas auf: Hier kommen alle Versatzstücke vor, die jeder Piratenfilm haben muss. Robert L. Stevenson hat mit seinem Buch einen Klassiker geschaffen, der unzählige Adaptionen – gewollt oder ungewollt – nach sich gezogen hat. Sprechende Papageien, Holzbeine, ein Kreuz auf einer Karte, das den Schatz markiert? Alles findet sich in Stevensons 1883 erstmal erschienenem Roman!

Oder was glaubt Ihr, woher Disney die Ideen zur „Fluch der Karibik“-Reihe hergenommen hat? (Oder Polanski für seine „Piraten“ oder all die Erol Flynn-Douglas Fairbanks-Roter Korsar-Schinken?)

Aber Finger weg von irgendwelchen Adaptionen für Kinder! Die sind meist totaler Schmarrn und völlig unnötig (in einer hieß John Silver mal „der lange Hans Silber“. Wer denkt sich sowas aus?)

Überhaupt eine Unsitte, Bücher für Kinder zu verstümmeln! Stevenson hat seinen Roman nämlich für seinen kranken Stiefsohn Lloyd geschrieben. Und der scheint es ja auch verstanden zu haben! Leseerfahrene Kinder ab neun Jahren verstehen das Buch mit ein bisschen Hilfe bei Seemannsvokabular schon wunderbar. Es gibt auch Hörspiele und Lesungen, wer lieber vorgelesen bekommt. (Gut gefallen hat mir die (gekürzte) Fassung mit dem Sprecher Andreas Fröhlich. Aber Vorlesen oder Selberlesen macht noch viel mehr Spaß!)

Und übrigens gibt es doch noch einen echten Genussbuch-Grund für „Die Schatzinsel“: Auf der Insel, auf der Flint seinen Schatz versteckt hat, wurde auch Ben Gunn ausgesetzt. Jahrelang hütete er für seinen alten Captain den Schatz, bis die Hispaniola vor Anker geht. Zwar ist Ben Gunn nicht verhungert bei all den Kokosnüssen und Fischen. Aber ein bisschen verrückt ist er in der Einsamkeit doch geworden. Und so fragt er die Crew als erstes: „Habt Ihr ein Stück Käse bei Euch?“. Denn Käse gibt’s im Südseeparadies natürlich nicht. Ben Gunn und seine Gier nach Käse werden dann auch zu einem kleinen Running-Gag im Roman.

Und wer wie ich Käse über alles liebt, der hat sofort Mitleid mit dem armen Ben Gunn. Was nützt die schönste Südseeinsel, wenn es keinen Käse gibt? Schon als Kind hat mich das Schicksal von Ben angerührt. Was würde ich wohl nach drei Jahren tun, um an Käse zu kommen?

Deshalb meine Leseempfehlung: Original-Ausgabe von „Die Schatzinsel“ kaufen, (legal) herunterladen oder ausleihen, ein Käsebrot belegen, eine Tasse Tee (gerne mit Rum!) zubereiten, im Lesesessel gemütlich machen und mit Jim Hawkins auf große Reise gehen.

Jo-ho-ho, und ’ne Buddel voll Rum!

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  1. Ha, ich bin völlig bei dir! Harharharrrrrrr! Piratenbücher rocken! 😀

  2. Die Schatzinsel ist definitiv ein Knaller – und in jedem Alter lesenswert. Also ein absolutes Genussbuch!

  3. Ein Buch das ich bekommen habe als ich krank war. Später gab’s die Hörkasette dazu (Stell doch mal einen Hörklassiker vor, z.B. Hui Buh oder so ). Ein Klassiker, schade dass man die nicht kochen kann sonst gäb’s die noch zu deinem Event. Du bist gerade auf dem nostalgischen Trip, finde ich toll.

  4. @Franzi Darauf ’ne Buddel voll Rum!

    @Tring Schön, dass es Dir auch gefällt.

    @Che Foodzeit Stimmt. Liegt vielleicht am trüben November…

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