Themenwoche „Jeden Tag ein Buch“: Emile Zola „Der Bauch von Paris“

Jeden Tag ein Buch?

jeden-tag-ein-buch_arianebille

Ok, vielleicht schaffe ich das diese Woche nicht ganz. Ich wollte ja kürzer treten. Aber zum Start wollte ich Euch unbedingt gleich eines meiner Lieblings-Genuss-Bücher ans Herz legen: „Der Bauch von Paris“ von Emile Zola.

Zola gilt als einer der typischsten Vertreter des Naturalismus. Naturgenaue, detailgetreue Beschreibungen (nicht nur der Natur) sind das Hauptmerkmal dieser literarischen Strömung, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts populär war. Diese exakten Beschreibungen sind es auch, die Romane von Zola so ergreifend und lebendig machen – auch 150 Jahre nach ihrer Entstehung.

Zola, Zeit seines Lebens ein gemäßigter Linker, setzte sich für die aufkeimende Arbeiterbewegung ein und dieser in seinem Roman „Germinal“ auch ein Denkmal. Die Verfilmung mit Gerard Depardieu über das Leben armer Bergarbeiter und ihrem Kampf gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen wird dem Buch nur teilweise gerecht. Zu den berührendsten Kapiteln gehört nämlich eines, in der sich Zola quasi in den Kopf eines Grubenpferdes hineinversetzt – und das so natürlich nicht verfilmt werden konnte. Klingt erstmal bizarr? Aber wie Zola quasi zum Sprachrohr des Pferdes wird, das ein Leben unter Tage fristen muss, sich nur noch vage an den Geruch von Blumenwiesen und das Gefühl von Sonne auf dem Fell erinnert, gehört zu den Glanzlichtern des Naturalismus. Wenn Euch auch „Germinal“ egal ist, solltet Ihr dieses Kapitel unbedingt mal lesen… Ich hab‘ geheult wie ein Schlosshund beim Lesen.

Die exakten Beschreibungen finden sich natürlich auch im „Bauch von Paris“. Hier geht es zwar eigentlich um den entlaufenen Sträfling Florent, der unschuldig verurteilt wurde, und die Republik wiederherstellen will…blablabla. Aber, hey, das ist nur ein Teil der Geschichte!

Die Handlung spielt rund um die Pariser Markthallen und das ist ein Fest für jeden Foodie! Wie Zola die Gerüche, die Haut der frischen Fische, das Tropfen von schmelzendem Eis, die Würste im Metzgersladen von Quenu(dem Bruder von Florent), und vielem, vielem mehr beschreibt, ist einfach atemberaubend! Man sieht, riecht und schmeckt förmlich, was Zola beschreibt und denkt sich die Markthallen fast wie ein lebendiges Tier, das sich permanent verändert, Dinge aufnimmt und abgibt und das Zentrum des Marktviertels bildet. Florents Bemühungen um die Republik sind da fast zweitrangig.

Eine Schilderung, die gerne als Beispiel für den Naturalismus verwendet wird, ist die so genannte Käse-Symphonie – eine so detailverliebte Darstellung eines Käseladens, dass man das Kapitel wieder und wieder lesen möchte. Spätestens an dieser Stelle wünsche ich mir jedes Mal, ich könnte fließend französisch lesen… Im Original ist die Beschreibung vermutlich noch beeindruckender.

Seid Ihr neugierig geworden? Schaut doch mal rein! Ob das Buch Euren Geschmack trifft, könnt Ihr ganz leicht ausprobieren. Denn den kompletten Text gibt es beim Projekt Gutenberg zu lesen. Ihr werdet sicher nicht enttäuscht sein und bald Zola verschlingen, der auch sehr liebevoll und mit Humor auf sein Personal blickt. Für Frankreich-Liebhaber ohnehin ein Muss!

Zola wuchs übrigens in der Provence auf, bevor er nach Paris kam. Das ist aber tatsächlich ein Zufall. Wobei ich langsam glaube, dass ich ein Faible für diese Gegend zu haben scheine, wie Ihr hier und hier schon mal nachlesen könnt.

Ich hoffe, Ihr habt ein bisschen Appetit bekommen auf die Blog-Themenwoche? Dann könnt Ihr in diesen Blogs noch mehr dazu finden! Eine ständig aktualisierte Linkliste mit allen Beiträgen findet Ihr außerdem auf Facebook unter dieser Adresse.

Und: Es bleibt französisch diese Woche. Aber nicht nur… Auch englisch. Lasst Euch überraschen 😉

Join the Conversation

  1. Gut, dass ich gleich zur Bibliothek radle. Mit Chance haben sie den Zola da. Vielen Dank für den Tipp! 🙂

  2. Ich drücke die Daumen, dass Deine Bibliothek eine Ausgabe hat. Leider ist Zola nur noch ein Nischen-Autor auf deutsch 🙁 Alternativ ist Victor Hugo immer, immer, immer ein paar Stunden Lesezeit wert!

    1. Hab‘ ihn. 🙂

      1. klasse! lass doch mal hören, was du über das buch denkst…

  3. Von Zola habe ich es leider noch nicht geschafft, was zu lesen. Sollte ich wohl mal dringend in Angriff nehmen 🙂

  4. Zola liebe ich. Nun frage ich mich grade, weswegen ich ausgerechnet dieses Buch noch nicht gelesen habe. Womöglich sollte ich es zum Aufpolieren meines Französisch verwenden. Dann stehen die Chancen auch gut, dass ich an Weihnachten damit fertig bin 🙂

    1. ich beneide dich darum, dass du es im original lesen kannst…

      1. Jaaa…..aber das dauert 🙂

  5. Supertipp, vielen Dank!! Möchte ich jetzt auf alle Fälle mal lesen! Habe ein totales Faible für 19.Jh/Fin de siècle.

    1. Ja, das ist auch eine meiner Lieblings-Literatur-Zeiten. Lass mal mal hören, ob Dir das Buch gefällt

  6. Hallo und guten Morgen,
    Auf der Suche nach dem Standort des Denkmals von Emil Zola in Paris bin ich auf diese Seite gelangt. ‚Der Bauch von Paris‘ ist mein absolutes Lieblingsbuch, das ich nicht nur einmal gelesen habe. Es ist, wie Du geschrieben hast, ein Vergnügen die naturgetreuen Beschreibungen der Marktstände mit ihren Angeboten zu lesen. Zur Zeit bin ich dabei den gesamten Romanzyglus ‚Les Rougon-Macquart‘ zu lesen. ‚Das Paradies der Damen‘ ist auch sehr zu empfehlen, amüsant und erstaunlich die Beschreibungen der Menschen. Mir spielt sich ein Film vor den Augen ab, so genau werden die Personen mit ihren Karakteren beschrieben, es ist ein Vergnügen.
    Gruß an German Abendbrot

Schreibe einen Kommentar zu Julia Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Close
© Copyright germanabendbrot.de
Impressum - Datenschutz
Close