Weinrallye #64: Prickelndes für den Sommer. Oder: Rheingau statt Champagne

Nur weil ich mit dem Kochen und Bloggen aktuell etwas kürzer trete, heißt das ja nicht, dass ich nicht nebenbei ein bisschen lecker Zeug trinke. Und das Mitmachen bei der Weinrallye ist doch Ehrensache! Kürzer treten heißt aber auch: ein bissl knapper als sonst, trotzdem mit viel Enthusiasmus. Ich schenk‘ mir kluge Sprüche über Perlage und Dosage, Rütteln, Schütteln, Flaschengärung blablabla… Ach, lest selbst, was ich Euch Prickelndes für den Sommer an’s Herz legen will! Stößchen!!

Früher dachte ich immer, Sekt sei die kleine, hässliche Schwester des Champagners (sind natürlich beides Frauen, klar, oder?). Während der Champagner schön, grazil, blond, langhaarig und -beinig daherkommt, mit viel Charme und perlendem Lachen Mittelpunkt jeder Party ist, ist die Sekt-Schwester eher unscheinbar, sauertöpfisch und naja, nimmt man halt mit zur Party, lässt sie aber die Teller abräumen. So halt. Weißte Bescheid.

Stop! Vorurteil!

Natürlich sind die Franzosen Marketing-Genies. Während sie groß an ihrer Champagner-Story rumschrauben, sich über die Champagner-Gebiets-Rangeleien die Augen ausstechen, gutgläubigen Chinesen weismachen wollen, dass auch heute noch in den großen Häusern alte, baskenmützige Jeans und Pierres wacklig jede einzelne Flasche rütteln und schütteln, ist man in der deutschen Sekt-Kellerei eher zielorientiert am Machen. Söhnlein brillant, Deinhard oder Rotkäppchen klingen ja auch gleich schon viel blöder als Taittinger, Veuve Clicquot (hier sollte mal ein Sekt Witwe Schmidt heißen!), Moet oder sonstwie nasal.

Dabei haben üble, sodbrennenerregende Massenprodukte auch lange Zeit den Sargnagel gebildet für das Image deutscher Sekte. Glücklicherweise gibt es auch außerhalb der Champagne zahlreiche junge, moderne aber auch traditionsbewusste Winzer, die prickelnde Sachen ins Glas bringen, die wirklich glücklich machen!

Ich will mich gar nicht auf Vergleiche einlassen. Es gibt atemberaubende Champagner, die angemessen sind für rauschende Feste, große Feierlichkeiten und ganz besondere Momente. Aber es gibt eben auch – direkt vor meiner Haustür! – Sekte, für die ich jeden Champagner stehen lasse. Und man soll doch immer regional kaufen und verzehren, oder?

Mach‘ ich. Und zwar mit Hochgenuss! Hier meine vier Lieblings-Sekte aus dem herrlichen Rheingau. Eat this, Champagne!

22.000 Flaschen Sekt produziert das Weingut Schönleber aus Oestrich-Winkel pro Jahr. Ein Paar davon liegen bei uns kalt. Denn der Schönleber Extra Brut (ehemals „Hardliner“) sollte besser nicht ausgehen. Kennern ist die Familie Schönleber zwar ein Begriff. Ich aber habe sie erst entdeckt, als ich meine erste Wiesbadener Weinwoche miterleben durfte. Ich liebe das Trocken-Krachige von Rieslingsekten. Häufig habe ich aber mit der Säure so meine Probleme. Hier hat man die beste Variante im Glas: trocken, riesling-style und angenehm zurückhaltend in der Säure.

Balthasar Ress gehört zu den Stars der Rheingauer Weinszene. Nix weinrebenrankende Gemütlichkeit, aufgebockte Fässer und Bacchus-Malereien – bei Ress kommt alles stylish und mit viel Marketing-Know-How daher. Gerade hat er mit viel Medien-Tam-Tam die im Diezer Baggersee versenkten Spitzen-Riesling-Flaschen „RESSpekt“ beborgen. Die Lagerung im kühlen, luftdichten See scheinen dem Wein nicht geschadet zu haben… Weniger dramatisch kommt der Riesling-Sekt Extra Brut daher. Pfirsich, Grapefruit, milde Säure – am liebsten genossen in der Vinothek des Weinguts in der Wiesbadener Mauergasse. Ein Gläschen Sekt, ein paar kleine Häppchen dazu, Leute gucken: Das ist wie Urlaub!

Die Tussi unter meinen Lieblings-Sekten: Schloss Vaus Rosé Brut 2010 – ein Pinot Noir-Sekt aus dem Pfälzer Anbaugebiet, der herrliche roséfarben im Glas perlt, trocken und fruchtig (Kirsche!) schmeckt und einfach perfekt ist als Aperitif, an Mädchenabenden oder einfach so mit Blick von der Terrasse auf die Wiesbadener Weinberge. Kostenfaktor ca. 14€/Flasche, z.B. bei Rewe oder direkt im Onlineshop. Das Schloss Vaux in Eltville am Rhein ist aber auch unabhängig vom Sekt (hä?!) einen Besuch wert. Sehr malerisch, sehr romantisch…

Noch auf Verkostung wartet der Primero – ein Sekt, der im Gewölbekeller des Wiesbadener Weinhändlers Andreas Gölitzer (Le Bonheur) reift und somit ein echter Wiesbadener ist! Ich bin gespannt…

Übrigens: Die 1902 zur Finanzierung der kaiserlischen Flotte eingeführte Schaumweinsteuer wird heute noch erhoben und spült (sic!) jährlich über 400 Millionen Euro in den Bundeshaushalt. Da wir längst keine kaiserliche Flotte mehr haben, unterstützen wir Sekttrinker also Bau und Unterhalt von Schulen, Krankenhäusern und Kindergärten – zumindest können wir uns das einreden und uns dabei heldenhaft fühlen. Stößchen!

 

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  1. Na, das war aber kurz und knapp 😉
    Vielen Dank für die Empfehlung, ich werde die „Mädels“ umgehend testen!

    1. Mach‘ das! Einer besser als der Andere 🙂 Stößchen!

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