Panta Rhei. Die Toskana im Herbst. „Weinkisten-Tetris“

Erinnert Ihr Euch noch an den Sehnsuchts-Post ausm Mai? Dieses unbestimmte Gefühl, dass das Leben jenseits der Alpen ein bisschen leichter, luftiger, sonniger ist?

Im Oktober haben wir dieser Sehnsucht wieder nachgegeben und haben eine Woche in unserem Lieblingsweingut Poderi del Paradiso in der Toskana verbracht. Dort gibt es nicht nur den herrlichen Paterno II (und andere Köstlichkeiten), sondern auch ganz reizende Appartements, die perfekt geeignet sind für Selbstversorger, Gernekocher, Bistecca-Griller…

…Leseratten, Ruhesucher, Ausblickgenießer, Langschläfer, Weintrinker, Käseshopper, Weingut-Stopper, Romantische-Toskana-Örtchen-Spotter wie uns.

Im Herbst ist die Toskana ganz besonders herzergreifend schön. Vor allem, wenn die Tagestouristen wieder in ihren Bussen sitzen und San Gimignano fast ganz uns gehört.

Zwischen den Hügeln wabert morgens Dunst…

und abends der Nebel,…

…während tagsüber die Sonne noch mit voller Kraft auf letzte Trauben…

…und Oliven brennt, die im November geerntet und zu goldig-grünem Olivenöl verarbeitet werden.

Eine Silhouette und noch ein paar Motive, von denen ich nie genug bekomme:

Die Geschlechtertürme San Gimignanos im Dunst.

Da lohnt sich das frühe Aufstehen, wenn der Blick auf neblige Hügel trifft.

Hagebutten als hübsche rote Pünktchen in all dem Grün.

Romantik pur.

Zypressenalleen – so kitschig und so wunderschön…

Aber wir sind ja nicht nur zum Spaß in der Toskana! Der „Weinkeller“ will befüllt werden, nachdem uns monatelang überhaupt nicht nach Rotwein war und der Bestand vor dem Umzug im letzten Jahr sowieso stark reduziert werden musste *hüstel*.

Neben einem umfangreichen Einkauf im Poderi del Paradiso haben wir beim Cruisen durch Weindörfchen und entlang der Chianti-Classico-Straße noch zwei für uns neue Weingüter entdeckt, die ehrlichen Wein (und hervorragende Öle!) herstellen und (noch) zu fairen Preisen verkaufen.

Die Fattoria „La Torre“ (San Gimignano (Siena), Località „La Villa“) ist schon alleine deshalb einen Besuch wert, weil man über Schotterpisten durch Kieferwälder an Weinbergen entlang auf einen Hügel fährt, von dem aus man einen herrlichen Ausblick hat. Den Turm aus dem 10. Jahrhundert sieht man schon aus der Ferne. Das Weingut liegt wirklich weit ab vom Schuss und ist ohne Auto schwer erreichbar – aber man will ja die Weinkisten auch nicht nach Hause TRAGEN, oder?

Im Kellergewölbe aus Feldsteinen kann man alle Weine sowie das Olivenöl verkosten. Es gibt von Vernaccia über Chianti Colli Senesi bis hin zu Grappa viel zu probieren. Der einfachste Rotwein kostet 3,50€/Flasche, der Liter Olivenöl 12€.

Zwischen Castellina in Chianti und Poggibonsi liegt das Weingut La Croce der Fratelli Zari (einfach nur Brüder, keine Mönche!), das wir wirklich aus Zufall entdeckt haben. Denn hinter jeder Kurve steht quasi ein „Vendita diretta“-Schild, das einen dann über abenteuerliche Wege zu kleinsten oder großen Weingütern bringt.

In diesem Fall sahen wir das Schild nur noch im Rückspiegel, waren längst dran vorbeigefahren, legten einen abenteuerlichen U-Turn hin und fuhren einen steilen Feldweg hinunter. Draußen dann unromantisch Stahltanks und landwirtschaftliches Gerät – aber sowas hält den „Profi“ ja nicht ab. Zumal schon allerhand Italiener mit Plastikkanistern und großen Korbflaschen (!) ihren Einkauf erledigten – ein absolutes Gütezeichen. Denn die heimische Bevölkerung kauft keinen Mistwein. Wer mir nicht glaubt, muss mal bei Mellini drauf warten, bis ein „echter“ Italiener vorbeikommt…

Also: Rein in den Verkaufsraum, Weine getestet, mit gebrochenem Italienisch klar gemacht: Wir sind im Himmel! Dazu noch ein richtig grasig-scharfes Olivenöl und wir waren glücklich! Der einfache IGT Rosso kostet 3€/Flasche, der Chianti DOCG 3,50€/Fl. und der Chianti Classico DOCG Riserva „Fondamento“ 8€/Fl.

Einen „Supertuscan“ gibt es auch – blöd sind sie ja nicht, die Chianti-Classico-Weingüter. Der „Il Doccione“ IGT Rosso (9€/Fl.) aus Sangiovese, Merlot und Cabernet reift 15  Monate im Barrique und schmeckt deutlich komplexer als die einfacheren Roten. Aber ein „Supertuscan“ ist das deshalb noch lange nicht… Egal. Wein soll schmecken. Tut er. Und wenn er dann auch noch „entdeckt“ wird und nicht in jedem Supermarkt im Regal steht, kommt er mit nach Deutschland.

Um die Kisten dann heil nach Hause zu bekommen, spielt der bEdW sein Lieblingsspiel: Weinkisten-Tetris. Natürlich nur echt mit der vom Smartphone abgespielten Musik. 🙂

Apropos Panta Rhei: Wer hätte je behauptet, es handele sich immer nur um Wasser, wenn von „alles fließt“ die Rede ist?

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  1. Ich auch will!! :-/

    Was kostet denn so ein Appartement die Woche? Eines von denen für 4 Personen? So ungefähr? Ich konnte nirgendwo Preise auf deren Seite entdecken…

    Toller Bericht, der Sehnsüchte weckt!
    Lieben Gruß, Dirk

  2. Seufz – superschön…ich habe gerade heute Morgen mal wieder überlegt, wo ich gerne den Rest meines Lebens verbringen würde und wie immer keine Antwort gefunden, ausser die, zu kalt darf es auch im Winter nicht sein und es sollte Jahreszeiten geben…und glatt fiel mir Italien ein. Wenn bloß diese doofe Italienisch nicht wäre….;-)

  3. Seeehhhnnnssuuuuuccchtttt!

    Wir waren 2008 auch in der Toscana unter anderem auch bei San Giminiano. Wir haben dort auch Wein, Käse und Eis genossen bis zum Schluss der Reise in Florenz, da haben mir Grappa und Wein so gar nicht mehr gemundet, geweint habe ich als wir uns damals verabschiedet haben von Carlo und Jody, die dort ein kleines Agriturismo mit Olivenhain bewirtschafteten. Wie sich in Östereich dann herausstellte hatten wir neben Gorgonzola, Parmesan und Wein auch noch eine andere Köstlichkeit mit an Bord, Das Mummelchen. Daher also meine Gefühlsduseligkeit 🙂
    Sehr schöne Erinnerungen habe ich an die Reise, es ist wirklich eine tolle Gegend, wahnsinnig leckeres Essen, weit mehr als Pizza und Pasta, tolle Weine und das Eis… Hmmm
    Unser Weinkeller müsste nach dem Umzug auch mal wieder aufgefüllt werden, jetzt darf ich ja wieder!

    Liebe Grüsse und danke für den Schönen Bericht!
    Nathalie

  4. Sieht das traumhaft aus! Danke fürs Fernweh wecken – die Toskana kommt direkt mal ganz oben auf die Urlaubsziel-Wunschliste fürs nächste Jahr!

  5. Ach wie schön, hab ich sehr gerne gelesen, den Toskanabericht!!!

    Wir waren im Juni da und bis auf die Jahreszeit kommt es mir sehr ähnlich vor. In San Gimignano waren wir sehr früh um den Touristen zu entgehen und haben dann zufällig ein zauberhaftes ganz kleines Lokal voll von Italienern gefunden, mit genialem Essen. Den Schildern sind wir genauso gefolgt, mein Winzer hat geflucht, weil wir mit unserem Kombi (viel Platz für Weinkisten!) über Stock und Stein gerumpelt sind und nicht nur einmal fast aufgesessen wären…
    In Castellina del Chianti waren wir ‚zuhause‘, im Salivolpi. Auch sehr zu empfehlen! Das Chiantigebiet hat uns besonders deshalb gefallen, weil es ein bisschen ruhiger zugeht und man recht zentral für Ausflüge ist.
    Die größte Überraschung war die Abbazia di Sant’Antimo, wunderschön, zumittag komplett touristenfrei erwischt und dann vor lauter Hunger dort im Restaurant gelandet. Nichts erwartet, aber eben soooo hungrig. Dann phantastisch gegessen zu untypisch kleinem Preis und herrlichen Wein getrunken.
    Leider haben wir beim Weinkauf keine wirklich neue tolle Entdeckung gemacht. Die Fratelli Zari haben wir übersehen oder hatten nicht geöffnet, jetzt würd ich auf alle Fälle hinfahren!

    lg von der Toskanabegeisterten Kärntnerin

  6. @Dirk Habe Dir eine Mail geschrieben. Die Websites von Agriturismos sind oft lückenhaft. Aber mir ist auch viel lieber, wenn die sich aufs Winzerhandwerk verstehen…

    @Schwiegermutter Ach, die Italiener verstehen einen meist auch, wenn man nur Hände, Füße und Brocken zur Verfügung hat. Essen & Trinken verbindet eben.

    @Nathalie Was für eine schöne Geschichte. Das war dann wohl ein ganz besonders netter Urlaub 😉

    @Barbara Wenn Du Tipps brauchst, melde Dich gerne!

    @Kärtnerin Hach, das hört sich auch wunderbar an. Ich könnt‘ gerade schon wieder losfahren. Weißt Du noch, wie das Restaurant in San Gim hieß?

  7. ach, wie schön wäre das… seufz.

  8. Jetzt kann ich noch viel besser verstehen, warum es Dich gleich wieder zurück in die Toskana zieht, traumhaft schön – und wenn Robert schon mal ins Seufzen gerät …..

  9. @Robert Dem ist nichts hinzuzufügen. Seuftz.

    @Sabine Ist nicht so, als hätten Deine Fotos nicht auch Fernweh geweckt 😉

  10. Hach ja, das würde ich jetzt auch gerne machen…zumal Italien von München aus ja gar nicht so weit entfernt liegt. Vielleicht im nächsten Jahr 🙁 (Die Tipps werden auf jeden Fall gespeichert!)
    Viele Grüße,
    Steffen

    1. Die Toskana ist auch im Frühjahr wunderschön…

  11. Paul W. says:

    tolle Beobachtungen zu den Zari-Brüdern. War vorgestern (5.7.13) unabhängig von diesem Bericht dort, es hat sich nichts geändert.

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