Handkäs mit Musik oder: Erbarme! Zu spät! Die Hesse komme!

„Was kommt denn da für’n wüster Krach aus Frankfurt, Darmstadt, Offenbach? Was lärmt in Kassel, Gießen und Wiesbaden bloß so gnadenlos?“

Als in den frühen 80ern die Neue Deutsche Welle tobte, erlebten auch die Rodgau Monotones bundesweit Charterfolge und brachten hessische Mundart ins Radio. Neben „Ei, gude wie?“, „Volle Lotte“ oder „St Tropez am Baggersee“ werden sie auch heute noch geliebt für die Hymne aller Hessen: „Die Hesse komme!“.
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=4ReF03YwIO8]
Ob bei Spielen der Frankfurter Eintracht oder in den Betreffzeilen elterlicher Emails, die Besuche in München ankündigten: Die Hymne ist längst jedem Hessen in Fleisch und Blut übergegangen.
Meine Lieblingszeile im Lied ist und bleibt übrigens: „Unser David Bowie heißt Heinz Schenk“ Das ist in seiner Absurdität einfach nicht zu übertreffen und bringt den bEdW (Hesse ehrenhalber!) und mich immer zu Lachtränen, wenn wir’s hören.
Während man als Kind eigentlich eher immer peinlich berührt war, wenn man mit den Eltern den „Blauen Bock“ gucken musste in guter alter Samstagabendtradition, ist Schenk heute irgendwie Kult – sicherlich auch wegen seines Auftritts in Hape Kerkelings „Kein Pardon!“.
Das passende Essen zum Lied ist – NATÜRLICH – Handkäs mit Musik!
Apropos:
Liebe Touristen in Sachsenhausen: Das muss man unbedingt „Mussig“ mit Betonung auf der ersten Silbe aussprechen! „Handkäse mit Musiiiiiik“ ist einfach nur schlimm und tut jedem Einheimischen in der Seele weh. Also, bitte unser sensibles Gemüt schonen und „Mussig“ sagen 🙂
Für die Zubereitung eines echten Handkäs mit Musik benötigt Ihr folgende Zutaten:
2 Handkäs (ersatzweise Harzer Käse)
1 kleine Zwiebel, sehr fein gehackt
eine Prise Kümmelsamen
Pfeffer, frisch gemahlen
Wein-Branntweinessig (nach Geschmack – ich nehme immer ordentlich, also etwa 4 EL)
Rapsöl, etwa 2 EL
Dazu gehört unbedingt eine Scheibe Sauerteig- oder Roggenbrot mit dick Butter drauf! Denn was dem mageren Handkäs an Fett fehlt, gleicht der Hesse gern mit doppelt Butter aufm Brot wieder aus…
Zwei Dinge gilt es beim Handkäs zwingend zu beachten:
1) Ganz wichtig bei der „Zubereitung“ ist, dass der Handkäs vorm Servieren nicht mit Essig in Berührung kommt. Essig macht den Käs zäh und weißlich, also ziemlich ungenießbar.
Deshalb das Dressing aus Essig, Öl, Pfeffer, Zwiebeln und Kümmel ruhig schon mal anrühren und dann vor dem Servieren über den Käs geben.
2) Den Handkäs isst der Frankfurter mit Messer. Und zwar NUR mit Messer. Man schneidet ein Stück ab und fährt mit dem Stück in der „Mussig“ rum, damit das Scheibchen möglichst viel Soße aufnimmt. Dann spießt man es mit dem Messer auf und isst es anschließend entweder direkt vom Messer oder – für feinere Leute – von der Brotscheibe, auf die man das Stückchen vorher legt. Wer Handkäs mit Messer und Gabel isst, outet sich als Auswärtiger. Das ist nicht schlimm, da gerade Frankfurter sowas von tolerant sind. Aber an den Handkäs gehört einfach „kaa Gawwel“!
Dazu gibt es dann ein Glas Ebbelwoi – sauergespritzt oder pur. Wer süßgespritzten bestellt – also Ebbelwoi mit Limo! -, der muss mit „Uffreschung“ beim Wirt rechnen:
Denn bei aller Toleranz: E bissi schlecht druff und grad enaus isser halt schon, der Hesse, gell?
Weil der Handkäs aber auch für gehetzte Frankfurter Banker ebenso geeignet ist wie für Agentur-Schnecken oder kinderreiche Familien, ist er mein Beitrag für die Cucina Rapida im September!

Cucina rapida - schnelle Küche für Genießer. Ein Blog-Event von mankannsessen.de

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  1. Das wurde wirklich Zeit! Das elementarste Hessen-Essen, oder?! Wie bekomme ich nur die Starre aus meinen Mundwinkeln wieder raus? Ich stelle mir die ganze Zeit Heinz Schenk im Ziggy Stardust-Outfit vor 🙂

  2. Hach – Erinnerungen werden wach – danke!

  3. Habe gerade dein Blog von Vorne bis Hinten gelesen – gut, dass ich so satt bin, dass Hungergefühl gar nicht mehr aufkommen könnte!

  4. Das könnte mir jetzt gerade als „Abendbrot“ zusagen 😉

  5. @markus oder: „so kann isch ned abbeidde!!“

    @volker gern geschehen!

    @fraumimimi willkommen auf der kleinen fressseite 🙂

    @bonjouralsace oh ja, eine sehr feine leichte kleinigkeit. ich könnt auch schon wieder… hm… heute ist markttag. vielleicht hole ich mir gleich mal zwei käs?!

  6. Und was ist bitteschön «Handkäs»? Also ich mein, was für eine Art Käse ist das?

    1. Die allwissende Müllhalde weiß dazu Folgendes: http://de.wikipedia.org/wiki/Handk%C3%A4se Bekannter ist vielleicht der Name „Harzer Käse“ – allerdings ist dieser etwas fester. Beide gemeinsam haben, dass sie aus Sauermilch hergestellt werden und etwa ein Prozent haben.

  7. …und ich sitze hier im fernen Süden und schmachte als echte Frankfurterin Deinen Handkäs mit Musik an! Moment, irgendwo versteckt sich doch noch eine Flasche Ebbelwoi (vielleicht kann ich heute Abend mal wieder einen Schoppe petze….)…:-))
    Liebe Grüße
    Ariane

    1. Na, der Ebbelwoi kann ja schon mal über die schlimmste Sehnsucht hinweghelfen, oder? Hopp in de Kopp!!

      1. Ich habe sogar schon einmal Handkäs ins „Land, wo die Zitronen blühen“, geschmuggelt…:-))

        1. Das nenne ich Einsatz! Wie gut, dass es keine Grenzkontrollen mehr gibt. Sonst hättest Du wegen des Geruchs sicher nicht über den Brenner gedurft 🙂

  8. Einspruch! Es kommt auf die Mischung an, dann kann/muss man Handkäs auch mit Essig einlegen. Das Ergebnis ist umwerfend. Kannste wörtlich nehmen! Guckt ihr: http://www.xn--lffellffelchen-vpbf.de/?p=536

  9. grossartig! immer wieder aufs neue schön zu sehen, wie die hessen und insbesondere die frankfurter die grosse und kleine welt erobern.

    als einheimischer vernachlässigt man ja manchmal schon die eigene cuisine, danke für den anstoss, es in zukunft weniger zu tun!

    heinz schenk, entertainer — oder, wie man auf deutsch sagen würde: fucking awesome.

    viele grüsse,
    tomis

  10. Klaus E. F. Kreuter says:

    Endlich habe ich meinen Fehler bemerkt und ich DANKE allen die mir geholfen haben nun wieder Handkäs mit Musik zu geniessen. Mangels ÄPPELWOI nehme ich einen trockenen Rose.
    DANKE an alle.

    1. Hurrah!! Lass es Dir schmecken!

  11. Vielen Dank für die Veröffentlichung dieses Beitrages.
    Ich habe mich genau an die Empfehlungen gehalten und kam auf diese Weise zu einem sehr leckeren, hessischen Abendessen,
    obwohl die Tagung, an der ich teilnahm, coronabedingt nicht in Präsenz in Darmstadt stattfinden konnte:
    https://gourmandise.wordpress.com/2021/09/27/tee-und-schokolade-fur-eine-von-der-tu-darmstadt-ausgerichtete-digitale-tagung/
    Mit kulinarischen Grüßen
    Gourmandise

    1. Julia Author says:

      Liebe Gourmandise, das freut mich außerordentlich. Wie schön, dass dieses „Hessenessen“ den Weg zu Dir gefunden hat! Alles Liebe, Julia

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