Klassiker: Salade niçoise und ein Teenager an der Côte d’Azur

(Wer zum Rezept für Salade Niçoise will, sollte jetzt ordentlich runterscrollen. Ich schweife heute ziemlich ab…)

1989 war ich ein (ganz frischer) Teenager und wahrscheinlich genauso unausstehlich wie alle Mädels in diesem Alter. Unsicher in der eigenen Haut, nicht Fisch nicht Fleisch, genervt von allem und jedem… Wer kennt das nicht? Gut erinnern kann ich mich an den Sommer ’89 weil ich mit meinen Eltern den Urlaub an der Côte d’Azur verbrachte. Es war heiß, der Scirocco ging mir ebenso auf den Geist wie ich vermutlich Ma und Pa. Dazu kam dann noch der unsägliche Sommerhit des Jahres, der gefühlt drei Mal pro Stunde im französischen Radio lief:

Lambada von Kaoma!

Salade nicoise Rezept German Abendbrot.

Erinnert Ihr Euch, dass plötzlich Hans und Rosi aus Wanne-Eickel in die Tanzschule rannten, um hüftsteif und schmärbäuchig den heißen Tanz aus Brasilien einzuüben, der doch im Video so locker leicht sogar Kiddies von den Hüften ging?

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=i8mz9uOvFQA]

Die Eleganz der Französinnen

Was mir ebenfalls in Erinnerung geblieben ist, ist die unfassbare Eleganz der (Süd-)Französinnen. Oder vielleicht der reichen Südfranzösinnen. Oder der reichen, an der Côte urlaubenden und sich den ganzen Tag um ihr Äußeres kümmernden Französinnen. Ich dagegen: 14 Jahre, aus einem südhessischen Dorf, gerade konfirmiert und nicht gerade mit der Garderobe ausgestattet, die man so trägt in St Tropez, Nizza oder Cannes

Es gibt irgendwo in den Schubladen meiner Eltern ein einziges Foto von mir, auf dem ich mir halbwegs in diesem Sommer gefallen habe. (Alle anderen fand und finde ich furchtbar: typische deutsche praktische Klamotten inmitten von Jet-Set-Blondinen!) Dieses jedenfalls: Im Halbprofil, die Haare leicht gewellt und halblang (ich ließ sie gerade wachsen, zum Zopf reichte es noch nicht – wieder Quell dieses permanenten Genervt-Seins), irgendein Trägertop an und Zeitung lesend. In der Hand ein Stück Schokolade. Was meine ältere Schwester zu der Aussage veranlasste: „Richtig gutes Foto. Richtig französisch. Jetzt müsstest Du nur etwas anderes in der Hand haben als ausgerechnet Schokolade! Das passt so gaaaaar nicht!“

Was hat das alles mit Salade niçoise zu tun?

Recht hatte sie. Eine Zigarette, ein Glas Wein, ein Buch von Simone de Beauvoir… Alles besser als Schokolade. Das passt so gaaaaar nicht! (Ok, ich war 14! Zigaretten und Wein kamen später.)

Aber vielleicht ist genau das die Weichenstellung: Zigarette oder Schokolade? Boutique oder Lebensmittelladen? Elle oder Food&Travel? „Danke, ich nehme nur einen Salat!“ oder „Boah, ich bin im Himmel! Ich könnt‘ hier ALLES essen!“, Fashion- oder Food-Blogger…

Statt Klamöttchen zu shoppen und durch die Boutiquen zu ziehen (die ohnehin aberwitzig teuer waren…), schwärmten meine Eltern von Brigitte Bardot und dem Angebot auf den Wochenmärkten. Und ich erinnere mich dunkel, dass meine Ma ständig Salade niçoise bestellte, wann immer wir mal Essen gingen (im Urlaub wurde ansonsten immer selbst gekocht – alles, was die Region und die Märkte hergaben!). Wenn ich das noch richtig zusammenbekomme, war sie auf der Suche nach DEM Rezept für den Nizza-Salat, das es leider ebensowenig gibt wie das für Kartoffelsalat.

Sardellen und grüne Bohnen? Heute ein Highlight!

Alleine die Vorstellung von Sardellen und grünen Bohnen trieb mir (14!!) den Ekel ins Gesicht. Dummes Ding, das ich war…  Zwei Jahre später, also 1991, waren die Haare endlich lang, Henna-rot, der Blazer ging über den Po und war doppelreihig, die Augenbrauen wurden dünnergezupft. Und plötzlich fand ich es sehr chic, in Hanau (!) in der „Brasserie“ (!!) mit meiner Freundin T. zu sitzen, mir einen Salade niçoise zu teilen (!!!) und Jungs anzuflirten. Dieser Salat war das Beste an dem Etablissement (wenn auch mit einer komischen Joghurt-Sauce angemacht, die ich heute für alles andere als französisch halten würde…) Und statt Schokolade hatten wir längst die Kippen in der Hand. Dumme Dinger, die wir waren…

Salade niçoise – der Nizza-Salat der 90er

Seit dieser Zeit also in den gaaaanz frühen Neunzigern, als Mädels noch mit Aktenkoffer-großen Autotelefonen zu beeindrucken waren, die Ära der Supermodels mit echten Kurven (hach!) anfing, meine Lieblingszeitschrift Miss Vogue (!) eingestellt wurde, als ich gerade ein Abo beantragen wollte, und Freddie Mercurys früher Tod Aids plötzlich auch im Mainstream extrem präsent machte, habe ich keinen Nizza-Salat mehr gegessen. Ist das zu glauben?

Heute stellen Menschen ihr Essen in dieses Ding namens Internet und im Hause German Abendbrot gibt’s nach zwanzig (!) Jahren wieder regelmäßig Salade niçoise! (Das nenne ich mal einen Bogen spannen!) Aus gefühlten 120 Rezepten habe ich mir ein eigenes zusammengebastelt, das mir sehr gut gefallen hat, auch weil ich eine übrig gebliebene Kartoffel und etwas Bohnen vom Vortag verwenden konnte. Bohnen waren nämlich immer in den Salaten, die meine Mutter 1989 an der Côte gegessen hat – egal, was Puristen so sagen…

Für einen großen Teller („in Memory of the 90s“ ist sogar das Geschirr aus den 90ern), der einen alleine satt und glücklich macht oder zwei Personen als Vorspeise reicht, benötigt Ihr folgende Zutaten:

  • Zwei Hände voll Pflücksalat oder die gleiche Menge Eisbergsalat
  • 2 gekochte, geschälte nicht zu große Kartoffeln
  • 1 hartgekochtes Ei
  • 6-8 schwarze Oliven
  • 1 große Tomaten
  • 1/2 grüne Paprikaschote
  • eine kleine Hand voll grüne Bohnen, gekocht und abgekühlt
  • 1 kleine Dose Thunfisch (abgetropft)
  • 1 TL Tapanade (Paste aus schwarzen Oliven – gibt es in gut sortieren Supermärkten, beim Türken oder Italiener)
  • 3 Sardellen in Öl
  • 3 EL Rotweinessig
  • Spritzer Zitronensaft
  • 8 EL Olivenöl
  • Salz und frisch gemahlenen schwarzen Pfeffer

Für das Dressing:

1/2 Kartoffel, die Tapanade, 2 Sardellen, Essig, Öl, Zitronensaft, Salz und Pfeffer sehr gut miteinander vermischen – am besten mit dem Pürierstab.

Zubereitung Salade niçoise

Salat und Gemüse waschen. Das Ei, die Tomaten und die restlichen Kartoffeln achteln. Die Paprika entkernen und in Ringe schneiden. Auf einer großen Platte oder einem Teller erst die Blattsalate anrichten. Darauf die Paprikaringe verteilen, in der Mitte die Bohnen. Die Tomatenachtel und die Oliven am Rand anrichten. Die Kartoffel- und Eier-Achtel etwas mehr in die Mitte setzen. Ganz in die Mitte kommt der abgetropfte Thunfisch. Darauf die letzte Sardelle. Jetzt das Dressing über dem Salat möglichst gleichmäßig verteilen und servieren!

Ihr könnt natürlich auch alles in eine Schüssel werfen. Das macht aber nicht annähernd so viel Spaß und wird den tollen Zutaten nicht ganz gerecht!

Ein sehr sättigender Salat, zu dem man kein Baguette braucht. Wegen der Sardellen und des Essigs im Dressing ist die Weinauswahl nicht ganz einfach. Ein eiskaltes Bier passt hier eigentlich fast besser. Oder ein sehr kräftiger, natürlich südfranzösischer Rosé.

Und Ihr so? Kind der 90er oder der 80er? Welches Gericht gehört zu Eurer Teenager-Zeit. 

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  1. Du junger Hüpfer du!
    ’89 war ich auch an der Côte d’Azur, allerdings schon der x-te Urlaub ohne Eltern 🙂
    Radio Europe dööööööööööö! Lambaaaadaaaaaaaaa!
    Im neongrünen Badeanzug mit Beinausschnitten, die gefühlt bis zu den Achseln reichten….

    1. Den Badeanzug stelle ich mir jetzt ein bisschen vor wie den von Borat 🙂 Erschreckend finde ich ja, dass die ganzen Kids diese Saison wieder in Neonfarben rumrennen. Ich hatte so gehofft, dass dieser Trend NIE WIEDERKOMMT!

  2. emma_peel says:

    Gib’s ja gar nicht, „Miss Vogue“ war auch meine Lieblingszeitschrif (auch wenn mein Leben verdammt wenig Berührungspunkte mit vielen der Themen und der Mode hatte…)
    Erinnere mich aber z.B. noch gern an den ausführlichen Vergleich zwischen „Valmont“ und „Gefährliche Liebschaften“. Sind beide damals zu meinen Lieblingsfilmen geworden.

    Wo gab es so etwas jemals wieder in einer Teenie-/Frauenzeitschrift? Schade, dass sie damals eingestellt worden ist.

  3. Hach – auch Deine Salade Niçoise-Geschichte ist toll. Ich kann mir Dich grad vorstellen – maulig hinten im Auto, in Städten immer drei Meter hinter den Eltern, denn zu denen gehört man nicht, und wenn die Eltern mit jemandem gesprochen haben, hat man sich für sie geschämt, fremdgeschämt sozusagen 😉
    1989 war ich erwachsen – zumindest auf dem Papier. Meine Teenie-Zeit fiel in die 70er Jahre. Aber maulig waren wir damals genauso.
    Und in Sachen Musik war ich schon immer ein bisschen eigen. Damals auf der Reise durch Frankreich, bei meinem Nizza-Salat, hab ich mit meinem Vater im Auto Bob Dylan, Donovan und Georges Brassens gehört – die ganzen Ferien lang!

  4. @emma_peel An die Ausgabe erinnere ich mich tatsächlich auch!! Unfassbar, dass das Magazin eingestellt wurde. Wenn ich auch so überhaupt nicht in die Zielgruppe der reichen Pferdemädchen gepasst habe. Ich war ja auch ein Fan von „Allegra“ – ebenfalls eingestellt…

    @Wilde Henne Oh, das Fremdschämen kennt wohl jeder Teenie! Wie gut, dass ich keine Teenie-Kinder habe. So bleibt mir die Illusion, dass ich TOTAL COOL bin 😀

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