Um die Wiesn rennen

Immer die gleiche Strecke laufen ist ja eigentlich langweilig. Und München bietet so viele schöne Laufstrecken: An der Isar entlang, zum Zoo, im Englischen Garten, durch den Westpark…

Aber manchmal muss es eben schnell gehen. Da will man gleich von der Haustür weg losrennen und am besten dabei noch den Überblick behalten über die gelaufenen Kilometer. Deshalb ist der Lauf rund um die Münchner Theresienwiese meine Hausstrecke.

Hier bin ich japsend die ersten Meter gelaufen, war stolz wie Bolle, als ich die erste Runde (2.7 km) ohne Pause laufen konnte und freue mich heute noch, wenn ich ohne zu zögern 4, 5 oder 6 Runden laufe. Die Steigungen oder auch die Treppen hoch zur Bavaria sind zudem ein gutes Oberschenkeltraining. Die Bäume links und rechts vom Weg spenden Schatten oder schützen vor Schnee, und von den Füßen der Bavaria hat man einen wunderschönen Blick auf München.

Bei drei oder mehr Läufen die Woche kann es aber auch schon mal langweilig werden, immer im Kreis zu rennen. Nur ab Mitte Juli (in diesem Jahr schon früher!) wird’s richtig spannend: Da kann man mit jedem Tag den Aufbau des Oktoberfests beobachten und wachsen sehen.

Was mit Klohäuschen und Stromkästen anfängt, geht dann mit den Gerüsten für die „Zelte“ (wer noch nie auf der Wiesn war: das sind 2-geschossige Häuser mit Platz für bis zu 10.000 Menschen) weiter und geht dann in meine liebste Phase über. Wenn die Aufbauten schon soweit vorangeschritten sind, dass man quasi hinter die Kulissen des größten Volksfestes der Welt schauen kann, fühle ich mich immer, als würde ich in ein Geheimnis eingeweiht: Der Löwenbräu-Löwe ist aus ganz abgestoßenem Papp-Maché und wenige Tage vor der Eröffnung steht sein Kopf noch auf dem Asphalt vorm Zelt. Die Westernbahn wirkt wenig spektakulär, wenn die Cowboys auf dem Rücken liegen und Schrauben festgezogen bekommen. Im Innern der Zelte kann man wunderschöne Details entdecken (z.B. die Deckenmalerei im Hacker-Pschorr), die sonst vor lauter Qualm und Bierdunst unsichtbar bleiben. Und es verblüfft mich jedesmal, wie schnell ein Riesenrad aufgebaut werden kann.

Es war aus Sicherheitsgründen natürlich schon immer verboten, während des Aufbaus, wo wirklich schweres Gerät im Einsatz ist, über die Wiesn zu laufen. Aber es wurde toleriert und kaum kontrolliert.

Weil aber vor einigen Jahren irgendein Depp sich den Kopf an einem Gerüst gestoßen und die Stadt verklagt hat, wird jetzt immer ein Bauzaun um das Areal gezogen. Sogar die Kantine für die Arbeiter ist jetzt für Unbefugte geschlossen.

Dennoch kann man sich z.B. vom Fuß der Bavaria aus einen Eindruck verschaffen. Und es soll auch Schlupflöcher im Bauzaun geben – der Blick hinter die Kulissen ist einfach zu faszinierend.

Übrigens: Während der Wiesn meide ich das Areal für Läufe natürlich großräumig. Ich habe einfach keine Lust über Kotzpfützen, zerbrochenens Glas und besoffene Touris zu springen. Aber danach gehört die Theresienwiese wieder den Anrheinern, können ganz gemütlich den fast ebenso spannenden Abbau beobachten. Und wenn der letzte Stromkasten abgebaut ist, dann riecht es schon fast a bisserl nach Winter…

You can read an English and slightly revised version of this post here.

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